Steven Schacher ist in Isolation in der Müllerverbrennungsanlage am Flötzersteig.

Foto: Wien Energie

Auch Helmut Wallner ließ sich von der Außenwelt abschneiden. Damit Wien weiter Strom und Wärme hat.

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In der Spittelau ist eine von vier Isolierstationen für 53 Mitarbeiter der Wien Energie angesiedelt.

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Es war im Grunde so, als würde er ganz normal zur Arbeit gehen, "nur eben mit einer großen Tasche", sagt Steven Schacher. Der 24-jährige Techniker gehört zu jenen 53 Mitarbeitern der Wien Energie, die vorerst für vier Wochen an den Arbeitsplatz übersiedelt und in Isolation sind. Für Schacher heißt das: Sein ganzes Leben spielt sich seit rund einer Woche in der Müllverbrennungsanlage am Flötzersteig ab.

Eigentlich war es ein Szenario, an dessen Eintritt man nicht ganz geglaubt habe, erzählt Alexander Kirchner, Leiter des Betriebs bei Wien Energie, verantwortlich für alle Erzeugungsanlagen und führend im Krisenstab des Unternehmens aktiv: Seit Jahren probe man dort verschiedene Pandemie-Szenarien, eruiere, wie der Betrieb im Notfall mit 20, 40 oder 60 Prozent weniger Mitarbeiter funktionieren kann, aber auch wie es wäre, wenn man diese isolieren müsste. "Jetzt hat uns die Realität eingeholt", sagt er zum STANDARD.

Frühzeitig erste Maßnahmen

Bereits vor vier Wochen seien frühzeitig eine ganze Reihe an Maßnahmen gesetzt, die Werke abgeschottet und 80 Prozent der Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt worden, um die kritische Infrastruktur – also Energieerzeugung und Müllverbrennung – vor dem Virus zu schützen. Nach jedem Schichtwechsel werden Tastaturen, Sessel und Co. desinfiziert.

Seit einer Woche leben 53 Mitarbeiter im Kraftwerk Simmering und in den Müllverbrennungsanlagen Spittelau, Flötzersteig und Simmeringer Haide vom Rest der Welt abgeschnitten. So soll eine Ansteckung verhindert werden. Die Aufgaben der Isolierten reichen von der Steuerung der Anlagen bis zur Wartung und, wenn notwendig, kleinen Reparaturen. "Es ist ein weitreichender Schritt, aber nur so können wir maximale Sicherheit garantieren", sagt Alexander Kirchner.

Kleine Familie in der Anlage

Das neue Leben ist für Schacher in Ordnung: "Wir sind wie eine Familie, wir sind ein gutes Team mit sechs Leuten." Jeder habe einen eigenen Container, in dem er schläft, sonst verbringt man die Freizeit vor allem in einem gemeinsamen Aufenthaltsraum. Was man da im Feierabend macht? Videos schauen, Würfelpokern oder Playstation spielen. Die Mitarbeiter haben ein Unterhaltungspaket mit Spielen und Büchern mitbekommen.

"Da merkt man den Altersunterschied", entgegnet Helmut Wallner lachend. Der Techniker lebt nun im Kraftwerk Simmering – in Isolation. "Bei uns sind die meisten über 50. Es hat fünf Tage gedauert, bis wir die Playstation ausgepackt haben. Als Erstes haben wir das Uno rausgeholt", erzählt er.

Auch für den 50-Jährigen sei sofort klar gewesen, dass er sich für Wien isoliert – keine Minute habe er mit seiner Frau darüber diskutieren müssen. Im Gegensatz zu dieser habe er jetzt viele Sozialkontakte. 22 Kollegen sind an seinem Standort eingesetzt. "Die erste Frage war für uns: Wer sind die Schnarcher?" Im Kraftwerk Simmering schlafen alle im Festsaal. Eine "kleine Hütte" gibt es, sagt Wallner, sie dient als Telefonbox.

Gekocht wird zentral

Wenn Wallner nicht gerade arbeitet, steht er in der Küche und ist mit Kollegen und einem gelernten Koch für die Versorgung der 53 Isolierten zuständig. In der Früh und zu Mittag wird das Essen ausgeliefert – am Abend versorgen sich die Isolierten selbst.

Wie lange Wallner und Schacher noch in Isolation leben, ist unklar. Klar ist, was danach kommt. "Familie, Familie, Familie", sagt Wallner. Und Schacher? "Hoffentlich draußen das schöne Wetter genießen, auf der Insel vielleicht. Mit Freunden grillen wäre auch toll."

Derzeit sei die Motivation sehr hoch. Viel Zuspruch aus der Bevölkerung habe es gegeben. Darauf sind die Mitarbeiter stolz. Ein Kollege von Wallner habe für sein Team Kommentare aus sozialen Netzwerken ausgedruckt und aufgehängt, die sich auf die Isolationsankündigung der Wien Energie beziehen. "Postings von Menschen, die sich bei uns bedankt haben. Das ist wahnsinnig schön für uns. Wir sind nur ein kleines Rad. Jeder, der zu Hause bleibt, ist genauso wichtig", sagt Wallner. (Oona Kroisleitner, 26.3.2020)