ÖFI-Direktor Roland Teichmann sieht die Branche vor großen Herausforderungen – doch sie sei zäh genug, um zu überleben.

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Bei mehreren Drehs österreichischer Spielfilme fiel vorläufig die letzte Klappe. Die Folgen der Coronavirus-Pandemie drohen die Filmbranche jedoch gleich über Monate hinweg zu lähmen. Längst sind auch für den Sommer anvisierte Produktionen gefährdet, weil gegenwärtig niemand genau einschätzen kann, wann die Landesgrenzen wieder geöffnet werden. Zu vagen Produktionsaussichten kommen Terminkollisionen durch Verschiebungen. Und nicht zuletzt der Ausfall im Verwertungsbereich: Kinos sind geschlossen, Festivals, die wichtige Plattformen für Premieren bieten, wurden abgesagt.

Die beiden größten heimischen Fördereinrichtungen, das Österreichische Filminstitut (ÖFI) und der Filmfonds Wien, bemühen sich, mit beschleunigten Abwicklungen die Liquidität der Produktionsfirmen zu sichern. ÖFI-Chef Roland Teichmann appelliert im Gespräch dringend an die Politik, die Mittel aufzustocken: "Wir wären eine Wunderbranche, wenn wir die Krise ohne zusätzliche Mittel überstünden."

STANDARD: Das ÖFI hat eine Umfrage an die Filmproduktionsfirmen geschickt, um herauszufinden, wie groß die finanzielle Not ist. Wie sind die Reaktionen?

Teichmann: Es kommt Unterschiedliches zurück. Die Lage ist enorm schwierig, weil alles immer noch so frisch ist. Wir versuchen herauszufinden, welche Projekte aufgrund der Corona-Krise abgebrochen werden mussten und wo Verschiebungen drohen. Wir brauchen zumindest eine Größenordnung der Mehrkosten, damit das Ministerium den Rettungsschirm quantifizieren kann. Gleichzeitig arbeiten wir an Konzepten, um die Branche so lange es geht über Wasser zu halten.

STANDARD: Um wie viele Kinofilme geht es insgesamt?

Teichmann: In Summe sind gut 20 Produktionen unmittelbar betroffen. Die Mehrkosten gehen in die Millionenrichtung. Dazu kommt noch der ganze Verwertungsbereich, den man auch nicht außer Acht lassen darf – die Kinos sind zu, geplante Starts geplatzt. Es gibt Vorkosten, die jetzt komplett ins Leere laufen, keine Erlöse durch Besucher, da geht es um eine Größenordnung, die deutlich über 100.000 Euro liegt. Dann die Festivals: Da gibt es Ausfälle bei Sponsorengeldern. Wir werden in dem Bereich auf keinen Fall unsere Förderungen kürzen.

STANDARD: Bei einigen Firmen herrscht Feuer am Dach. Wie rasch kann die Hilfe kommen?

Teichmann: Die Kapitalisierung der Firmen ist tatsächlich relativ schwach, deswegen versuchen wir, möglichst viele Verträge rauszuhauen – denn damit sind die ersten Ratenzahlungen verbunden. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wir überlegen, wie wir zusätzliche Stimulierungen in der Branche erzeugen können. Insbesondere für die Filmschaffenden, Autorinnen und Regisseure. Dafür bräuchten wir dringend ein Sonderbudget, weil unser Regelbudget für diesen Notfall in keiner Weise gerüstet ist. Mit mehr Geld ließe sich bei Stoffentwicklung und Projektentwicklungen die Förderquote verdoppeln und so Kreativen die Möglichkeit geben, über den Sommer an Projekten zu arbeiten. Ich hoffe, dass es fließen wird.

STANDARD: Womit muss man rechnen, wenn ein solches Sonderbudget ausbleibt? Droht der Hälfte der Produktionsfirmen die Pleite?

Teichmann:Das ist schwer zu sagen. So klingt mir das – obwohl die Zahlen eine andere Sprache sprechen – ein wenig zu dramatisch. Ich glaube, dass die Resilienz der Produktionsfirmen größer ist. Die Branche war immer enorm kreativ und zäh – das wird in der Krisensituation nicht anders sein. Aber eine extreme Schwächung ist gewiss. Vor allem ist die Branche in den Vertriebsstrukturen hart getroffen, wenn die Kinos wie die Schulen im Mai oder Juni erst wieder aufsperren. Deswegen ist es so wichtig, dass wir das Geld unter die Leute bringen, idealerweise bei Produktionen, die eine Realisierungswahrscheinlichkeit im Sommer haben. Aufgrund der Einschränkungen muss man wohl vor allem Projekte unterstützen, die in Österreich umgesetzt werden können. Momentan können wir alle nur auf Sicht fahren.

STANDARD: Also rechnet man damit, dass die Grenzen im Sommer noch geschlossen bleiben?

Teichmann: Niemand weiß das so genau, das sind Spekulationen. Ich gehe eher davon aus, dass die Reisefreiheit nicht uneingeschränkt sein wird. Mit größeren Crews wird es wahrscheinlich eher schwierig werden.

STANDARD: Gibt es auch Pläne, ein zusätzliches Paket für Kinos bzw. Verleiher zu schnüren?

Teichmann: Kinos waren bisher im ÖFI nicht antragsberechtigt. Ich halte es jedoch für sinnvoll, die Jahresförderung, die es vonseiten des Ministeriums gibt, um eine Förderung des Filminstituts für Programmkinos zu ergänzen. Aus zwei Gründen: um eine Art von direkter Marketingmaßnahme für den heimischen Film in den Bundesländern zu starten und um die Infrastruktur zu stärken. Das wäre in der Größenordnung von 250.000 Euro wirklich gut investiertes Geld. Was die Verleiher betrifft: Die Verluste bei ÖFI-geförderten Filmen, die jetzt gestartet worden wären, müssen wir auffangen. Wenn wir die Filme erneut herausbringen, dann heißt es eben doppelt zahlen.

STANDARD: Wäre unter den Förderinstitutionen nicht eine stärkere Vernetzung vonnöten?

Teichmann: Die Vernetzung und Kommunikation mit den Bundesförderungen ist gut, auch mit dem Wirtschaftsministerium und der Filmabteilung des BMUKK, die Barbara Fränzen leitet. Jeder versucht, die Strategien so zu entwickeln, dass die anderen auch einbezogen sind. FISA (Filmstandort Austria) wird in einer ähnlichen Situation sein – da ist aber noch nicht so viel vergeben worden. In Ausland hat man teils sehr schnell reagiert. In Dänemark hat die Regierung bereits am 13. März 12 Millionen Euro innerhalb eines Sonderfonds für die Filmförderung beschlossen. In anderen Ländern ist es ähnlich.

Roland Teichmann (49) ist Direktor des Österreichischen Filminstituts. 2019 wurde er in dieser Funktion zum vierten Mal verlängert. (Dominik Kamalzadeh, 26.3.2020)