Auch die Mitglieder der kroatischen Regierung klatschten für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Foto: imago images/Marko Lukunic

Wer pflegt nun die Oma, wenn die rumänische Pflegerin nicht mehr nach Österreich kann? Wer wird den Spargel stechen, wenn die Erntehelfer ausbleiben? Wie geht's eigentlich der netten serbischen Kassiererin, mit der man immer so nett geplaudert hat – jetzt wirkt sie sehr gehetzt und müde?

In sehr vielen Berufen, die die Gesellschaft in der Corona-Krise als "systemerhaltend" und wichtig erkennt, arbeiten Ausländerinnen oder Menschen mit Migrationshintergrund. Diese Tätigkeiten sind gleichzeitig schlecht bezahlt und bringen wenig soziales Prestige. Nun hängen plötzlich vor den Eingängen der Supermärkte Dankesworte auf weißen Leinentüchern. Wir klatschen kollektiv für das medizinische Personal, und Menschen melden sich freiwillig zur Erntehilfe – schließlich kommt man ja so an die frische Luft.

Solidarität nach der Krise

Was ist passiert? Haben wir plötzlich und über Nacht den Wert der harten Arbeit erkannt, die bisher die Unsichtbaren und Verachteten geleistet haben? Wird in Zukunft ein großer Aufschrei durchs Land gehen, wenn ein rechtspopulistischer Innenminister Asylwerber um einen Euro pro Stunde am Feld schuften lassen will? Werden wir die Pflegerinnen in Schutz nehmen, wenn ihnen die Familienbeihilfe gestrichen wird? Werden wir zusammen mit den Pflegekräften solidarisch auf die Straße gehen, wenn sie in den Arbeitskampf ziehen?

Ich fürchte, die Antwort lautet: Nein. Wir durchleben gerade lediglich eine Art kollektiven Krisenschock. Wir lassen uns zu allerlei symbolischen Gesten hinreißen, die vor allem uns selbst beruhigen und ermuntern sollen. Wenn wir Corona bald im Griff haben werden, kommt eine Wirtschaftskrise auf uns zu, deren Ausmaß nicht absehbar ist. Und in wirtschaftlichen Krisenzeiten wird es denjenigen, die jetzt stolz den Titel "Systemerhalter" führen dürfen, nicht besser gehen als vor der Krise. Das Gegenteil ist zu befürchten.

Genießen wir also ein wenig die eigenen solidarischen Ausbrüche und die romantische Verklärung der Heldinnen und Helden der Arbeit. Der Nachhall des kollektive Klatschens wird sich bald verflüchtigt haben. (Olivera Stajić, 26.3.2020)