Die 24-Stunden-Pflege zu Hause ist wegen der Corona-Krise kaum noch aufrechtzuerhalten.

APA/Helmut Fohringer

Nach dem drohenden Ausfall von womöglich tausenden Pflegerinnen aus den süd- und osteuropäischen Staaten steht jetzt die gesamte Infrastruktur der 24-Stunden-Pflege in Österreich auf der Kippe. Im Ernstfall sind davon 33.000 Pflegebedürftige betroffen. Mit einem rasch geschnürten 100-Millionen-Hilfspaket will die Regierung als Überbrückung unter anderem stationäre Ersatzpflege in Heimen organisieren. Zudem sollen auch Zivildiener für den Pflegebereich herangezogen werden.

Hinter den Kulissen ist in den Pflegeagenturen ein regelrechtes Chaos ausgebrochen. Jeder versucht in Eigeninitiative, einen Notbetrieb aufrechtzuerhalten. "Jetzt geht es darum, die 24-Stunden-Pflege zu retten. Ich habe den Eindruck, dass jetzt aber in der Regierung alles auf Pflege in Heimen, wie es früher war, hinausläuft. Die Kapazitäten in den großen Heimen sollen offenbar wieder gefüllt werden", sagt Klaus Katzianka, "Pflegeaktivist" und Betreiber einer Pflegeagentur im steirischen Leoben.

Dubiose Taxidienste

Die geschätzt 70.000 bis 80.000 Pflegerinnen – meist – aus osteuropäischen Staaten können jedenfalls aufgrund der Grenzblockaden und -kontrollen nicht mehr problemlos zwischen ihren Heimatstaaten und ihren österreichischen Arbeitsplätzen hin- und herpendeln. Die Covid-19-Krise macht den gewohnten 14-Tage-Pflegerhythmus unmöglich. Die Transporte sind de facto eingestellt worden. Und schon beginnt sich wieder der graue Markt zu öffnen. Neue, dubiose Taxiunternehmen bieten ihre Dienste an und bringen Pflegerinnen etwa an die slowakische Grenze, wo sie die nächste "Taxitour" wieder abholen. Völlig unkontrolliert.

Eine der großen heimischen Agenturen will die Angehörigen dazu verpflichten, die Pflegerinnen selbst von der slowakischen Grenze abzuholen. "Mir wurde gesagt, es könnte sein, dass die Agentur jemanden in der Slowakei für uns auftreiben könnte, wir müssten sie aber selbst von der Grenze abholen", sagt ein Betroffener aus der Obersteiermark im STANDARD-Gespräch, der dringend eine Pflege für seine demenzkranke Mutter gesucht hatte. "Mir war das aber zu unseriös", sagt der Obersteirer, der anonym bleiben möchte. Jetzt liegt seine Mutter in einem Heim.

Rückholflüge nach Rumänien

Die österreichische Wirtschaftskammer (WKO) versucht indessen einzuspringen und organisiert Busfahrten zur Grenze, um Pflegerinnen abzuholen. "Wir verlangen dafür natürlich einen Corona-Attest der Frauen. Wer keinen hat, muss vorerst 14 Tage in Quarantäne", sagt Andreas Herz, Bundesobmann des WKO-Fachverbands Personenberatung und Personenbetreuung, zum STANDARD.

Für den Quarantänefall sei die WKO bereits in Gesprächen mit Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben. Die Kosten für den Aufenthalt würden die Agenturen übernehmen müssen. "In Härtefällen werden wir aber einen Weg finden", sagt Herz.

Die Wirtschaftskammer Niederösterreich wiederum versucht eine Rückholaktion in größerem Stil – mit Flugzeugen. In einem Schreiben an die Verbandsmitglieder der Personenbetreuer heißt es: "Am Montag, 30.3.2020, werden zwei Flieger mit österreichischen Heimkehrern aus Rumänien von Sofia und Temeswar starten. Es gibt nun vielleicht die Möglichkeit, die restlichen Plätze in diesen Fliegern für PersonenbetreuerInnen zu reservieren ... Es gilt der Grundsatz First come, first serve, die zu viel gemeldeten PersonenbetreuerInnen kommen auf eine Warteliste."

"Pflegerinnen flächendeckend testen"

Die Pflegerinnen müssten einen negative Testung auf Covid-19 vorweisen oder sich in eine 14-tägigen Quarantäne begeben. Sie könnten "in einem bereits reservierten Hotel in Wien-Schwechat zum Preis von 19,50 Euro/Tag (Halbpension) für zwei Wochen Quarantäne untergebracht werden", heißt es in dem Schreiben. Sie sollten anschließend von den Agenturen abgeholt werden. Die Kosten für den Flug werden den Agenturen in Rechnung gestellt.

Freilich: Es bleiben viele Fragen offen, alles klingt eher nach "Management by Chaos". Um die alarmierende Problematik in der 24-Stunden-Pflege zu entschärfen, trommelt Klaus Katzianka und jetzt auch das Hilfswerk, dass sowohl Betreuerinnen als auch Betreute endlich flächendeckend auf Covid-19 getestet werden sollten. "Dann hätten wir endlich eine realistische Basis für Entscheidungen", sagt Katzianka. (Walter Müller, 26.3.2020)