Daheim bleiben wird derzeit vor allem mit gesund bleiben in Verbindung gebracht. Doch für viele Frauen droht genau dabei Gefahr.

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"Zu Hause bleiben", das gilt derzeit als Synonym für Sicherheit. Frauen erleben allerdings dort den größten Anteil an Gewalt. Das war schon vor der Coronakrise so und könnte sich durch diese noch verschärfen. In Österreich wird jede fünfte in einer Beziehung lebende Frau von ihrem Ehemann oder Lebensgefährten misshandelt – meistens zu Hause. In der Nacht auf Dienstag attackierte in Niederösterreich ein Mann eine schlafende Frau mit einem Holzstück, es war der achte Mordversuch an einer Frau in diesem Jahr und der erste während der Ausgangsbeschränkungen wegen der Coronakrise.

Gewaltschutzexpert*innen warnen seit einigen Wochen vor einem Anstieg der Gewalt. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) hat daher ein Maßnahmenpaket gegen Gewalt präsentiert und unter anderem auch die Frauenhelpline gegen Gewalt in den Fokus gerückt. Dort gab es in den vergangenen Monaten durchschnittlich 22 Anrufe pro Tag, seit der Präsentation des Maßnahmenpakets am 19. März gab es einen Anstieg auf 33 Anrufe pro Tag. Etwa die Hälfte davon betrifft akute Gewalt, sagt Maria Rösslhumer, Leiterin der Frauenhelpline gegen Gewalt und Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF).

Der Rest sind Frauen, die sich in einer kritischen Situation befinden und aufgrund der aktuellen Verunsicherung wissen wollen, wie sie in Zeiten von Corona im Fall des Falles agieren sollen. Wie komme ich ins Frauenhaus? Gibt es derzeit Gerichtstermine? Wie agiert derzeit das Jugendamt? Was tue ich bei Schwierigkeiten bei Besuchskontakten? "Die Verunsicherungen für Frauen, die mit Gewalt konfrontiert sind, haben zugenommen", sagt Rösslhumer.

Hürden durch Epidemiegesetz

In allen Frauenhäusern in Österreich spüre man einen Anstieg an Gewalt. In Tirol sind die drei Standorte am Limit der Aufnahmekapazität angekommen, ebenso in anderen Bundesländern wie Oberösterreich und Niederösterreich. Wegen der Bestimmungen durch das Epidemiegesetz muss man sich derzeit auch auf die Suche nach Ausweichquartieren machen. Die Frauen können nicht mehr in ein volles Frauenhaus einziehen, es braucht kleinere Einheiten. Laut Rösslhumer gibt es bereits Angebote, zum Beispiel von Hotels, "ideal wären auch kleinere Apartments oder Flüchtlingsorganisationen mit kleinen Wohneinheiten".

Das Virus ist derzeit für Frauen ohne Deutschkenntnissen eine große Hürde, um in ein Frauenhaus zu kommen. "Man muss am Telefon bereits sämtliche Sicherheitsvorkehrungen abklären, fragen, ob sie Symptome haben, ob sie in einem Risikogebiet waren – das gestaltet sich oft sehr schwierig", erzählt Rösslhumer. Kolleginnen fragen etwa, wie sie schnell Dolmetscher*innen ans Telefon zu holen könnten. "Schnell jemand, der Farsi spricht? Das ist alles sehr schwierig derzeit", beschreibt Rösslhumer die Situation. "Bisher konnten die Frauen einfach kommen, ohne Sicherheitscheck."

Bei der "Frauenberatung bei sexueller Gewalt" herrscht hingegen Normalbetrieb. Das Aufkommen der Anrufe und Beratungsanfragen ist konstant geblieben. Ursula Kussyk, Leiterin der Beratungsstelle, ist darüber nicht überrascht: "Bei uns melden sich vor allem Frauen, die sexuelle Gewalt im Bekanntenkreis, beim Sport, im Job oder in ihrer Freizeit erlebt haben", sagt sie. Dass sich Frauen wegen Übergriffen in einer bestehenden Partnerschaft melden, sei generell selten. "Sehr viel wird einfach nicht als Übergriff gewertet, wenn die Beziehung sonst als okay empfunden wird", sagt Kussyk. Mit emotionaler Erpressung Druck zu machen, meist in Kombination mit Komplimenten, das falle für viele nicht unter die Kategorie Gewalt, so Kussyk, "da geben Frauen oft um des Friedens willen nach". Dass man als Frau das Recht hat, nur Sex zu haben, wenn man will, und auch nur so lange, wie die Lust anhält – das ist noch immer ein sehr schwieriges Kapitel, sagt Kussyk.

Die Bedrohung Arbeitslosigkeit

Die Sozialarbeiterin vermutet, dass viele Frauen durch die Isolation, den ungewohnten und vielleicht weniger geschäftigen Alltag verstärkt mit älteren Gewalterfahrungen konfrontiert werden, und betont, dass auch sie sich an die Beratungsstelle wenden können. Es spiele keine Rolle, wie lange etwas her ist, gerade jetzt könnte jemandem erlebte sexualisierte Gewalt sehr stark zusetzen. Für jene Stellen, bei denen der Bedarf steigt, hat Raab zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Die Onlineberatung der AÖF, "Help Ch@t", wurde mit Mitarbeiterinnen des Österreichischen Integrationsfonds ausgebaut, die vergangene Woche intensiv von den AÖF eingeschult wurden. Jetzt ist der Chat nicht mehr wie bisher nur montags erreichbar, sondern täglich von 15 bis 22 Uhr. Dieses verstärkte Angebot wird es vorerst bis 14. April geben.

Langfristig sorgt sich Maria Rösslhumer vor allem wegen der steigenden Arbeitslosenzahl. Dieser geballte ökonomische Druck sei eine der größten Gefahren in Bezug auf Gewalt gegen Frauen. (Beate Hausbichler, 26.3.2020)