Der Skiort Ischgl und das Bundesland Tirol generell gelten als einer der Ausbruchsherde des Coronavirus in Europa.

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Berlin/Innsbruck – Der Skiurlaub in Ischgl hat für Marcus Beyerle aus Ubstadt in Baden-Württemberg ein äußerst geschäftsschädigendes Nachspiel. "Ich habe schon alles zusammengerechnet", sagt der 47-jährige Gärtnermeister dem STANDARD. "Mir fehlen durch die Schließung meines Unternehmens 20.000 Euro."

Eigentlich strömen die Kunden um diese Jahreszeit in die Gartencenter und decken sich kräftig mit Pflanzen ein. Nur in jenes von Beyerle nicht. Denn er hatte sich in Ischgl mit dem Coronavirus infiziert. Dies erfuhr er nach seiner Rückkehr am 8. März. Beyerle musste wie einige seiner Mitarbeiter in Quarantäne und den Betrieb schließen.

Anwalt prüft Schadensersatzansprüche

Die isländischen Gesundheitsbehörden klassifizierten Ischgl schon am 5. März als Risikogebiet. Ob die Behörden in Tirol vielleicht noch früher von der Gefahr gewusst haben, ist derzeit Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen. "Meine Freunde und ich wären nie im Leben nach Ischgl gereist, wenn wir informiert gewesen wären", sagt Beyerle.

Er hat seinen Anwalt Joachim Weiß beauftragt, die Möglichkeiten für eine Schadenersatzklage auszuloten. Interessiert, so Beyerle, ist auch ein weiterer Teilnehmer der Ischgl-Tour. Der Mann beliefert Kantinen mit Gemüse. Auch er kam infiziert aus Ischgl zurück und hatte herbe Verluste in seinem Unternehmen.

"Ich werde mit österreichischen Kollegen Kontakt aufnehmen und sie um Prüfung bitten", sagt Anwalt Weiß zum STANDARD. Das Ziel sei "Schadenersatzansprüche geltend zu machen". Denn: "Der Schaden für meinen Mandanten ist ja kein Pappenstiel, der Verdienstausfall wiegt schwer." Wenn Behörden ihrer Pflicht, wichtige Informationen weiterzugeben, nicht nachkommen, dann müsse man sich die Amtshaftung ansehen. Das sei in Österreich nicht anders als in Deutschland.

Auch Klagen aus Österreich

Beyerle kann in wenigen Tagen wieder in seinen Betrieb, eine Notbesatzung arbeitet auch schon wieder. Dennoch: "Uns sind einfach wahnsinnig viele Pflanzen verdorben."

Auch in Österreich selbst gibt es Anzeigen. Verbraucherschützer Peter Kolba brachte am Dienstag bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck eine Sachverhaltsdarstellung ein, weil die Tiroler Behörden die Sperrung von Hotels und Pisten hinausgezögert haben sollen. Die Anzeige richtet sich unter anderem gegen den für Tourismus zuständigen Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP).

Auch Verfassungsrechtler Theo Öhlinger hält es für "durchaus sehr realistisch", dass bei einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen unterlassener Maßnahmen Schadenersatz gefordert werden kann, sagte er dem Profil. (Birgit Baumann, 26.3.2020)