Im Lebensmittelhandel können nicht nur Lebensmittel eingekauft werden.

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Der Handel steht vor dem Problem, dass die Betriebssperreverordnung (BGBl II 2020/96) eine Zweiklassenhandelsgesellschaft geschaffen hat. Während Lebensmittelhändler wie Metro oder Interspar in ihren Handelsbetrieben mehr oder weniger Waren aller Art verkaufen, müssen Handelsbetriebe ohne Lebensmittel generell geschlossen bleiben.

In einem Gastkommentar hat Rechtsanwalt Markus Kajaba umfassende wettbewerbsrechtliche Überlegungen angestellt und ist dabei zum Schluss gekommen, dass die Rechtslage unklar ist. Das würde wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen Lebensmittelkonzerne, die auch andere Waren verkaufen, extrem schwierig bis ausgeschlossen machen.

Allerdings ist die Rechtslage nicht unklar. Die Betriebssperreverordnung BGBl. II Nr. 96/2020 verbietet das Betreten von Handelsflächen und nimmt den "Lebensmittelhandel, Drogerien und Drogeriemärkte" aus.

Klare Worte der Wirtschaftskammer

Die Wirtschaftskammer hat schon in ihrer ersten Mitteilung nach Erlassung der Verordnung am 16. März ziemlich klare Worte gefunden: "So kann der Handel mit Lebensmitteln fortgeführt werden, während andere Teilbereiche eines Verkaufsbetriebs (zum Beispiel Verkauf von Fernsehgeräten) einzustellen sind. Der Handel mit letztgenannten Sortimenten sollte durch geeignete Maßnahmen (zum Beispiel räumliche Abgrenzungsmaßnahmen, Kennzeichnungen) hintangehalten werden."

Die Auslegung der Wirtschaftskammer ist die einzig richtige, weil gleichheitskonform. Die Regelung ist, wie gesagt, nicht unklar und müsste eigentlich von der Behörde durchgesetzt werden. Sie entspricht aber überhaupt nicht der gelebten Praxis. So warb zum Beispiel ein Lebensmittelhändler zeitweise mit Verkaufsangeboten für Trekkingstöcke, Regenjacken und Funkgeräte und unter dem Titel "Endlich Frühling" für Motorsägen, Handkreissägen und Schlagbohrschrauber.

Auch andere große Lebensmittelhändler bieten weiterhin ihr volles Sortiment an: Spielzeug, Kleidung, Elektrogeräte. Beworben werden aktuell zum Beispiel, was besonders skurril anmutet, Reisekoffer und Reiseführer (zum Beispiel für London und Barcelona), aber auch Gartenliegen, Griller, Rasenmäherroboter, Kaffeemaschinen, Auto-Kindersitze.

Wettbewerbsvorteil ausgenutzt

Das Problem ist aber nicht nur, dass die Handelsbetriebe, die solche Produkte, aber keine Lebensmittel im Sortiment haben, zugesperrt bleiben müssen. Der nach der Krise erhoffte Nachfragestau wird wegen der laufenden Bedeckung dieser Nachfrage durch die Lebensmittelhändler ebenfalls ausbleiben. Die Lebensmittelhändler nutzen hier einen Wettbewerbsvorteil aus, der ihnen nach der Verordnung nicht zusteht. Die Behörde ignoriert das Problem und schaut weg und straft stattdessen Parkbesucher.

Die Regierung geht davon aus, dass jede Ansammlung von Menschen das Infektionsrisiko deutlich erhöht. Gleichzeitig stellt das Strafgesetzbuch vorsätzliche aber auch fahrlässige Handlungen unter Strafe, die geeignet sind, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren, anzeige- oder meldepflichtigen Krankheit unter Menschen herbeizuführen. Handelsbetriebe, die trotz Verbots geöffnet haben, müssten mit einer Bestrafung rechnen. Warum soll das nicht auch auf Lebensmittelhandelsbetriebe zutreffen, die Bereiche ihres Geschäftes offen halten, der andere Waren als Lebensmittel ausstellt? Daneben bietet auch das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb genau für solche Fälle Abhilfe.

Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis Anzeigen erstattet und die ersten Klagen überreicht werden, wenn die wenigen bevorzugten Betriebe, die geöffnet halten dürfen, sich nicht an die simple Regel halten, nur Lebensmittelprodukte und Drogeriewaren zu verkaufen. (Georg Eisenberger, 27.3.2020)