Nein, manche Themen gehen nicht weg, auch wenn die ganze Welt im Banne des Coronavirus steht. Die Türkei, wo – genau gesagt in Istanbul – am 2. Oktober 2018 Jamal Khashoggi das Generalkonsulat seines Heimatlands betrat und nie wieder gesehen wurde, hat nun zwanzig Personen des Mordes an dem bekannten saudischen Publizisten angeklagt.

Darunter ist jener dem saudischen Kronprinzen nahestehende Funktionär, Saud al-Qahtani, der von Geheimdiensten etlicher Länder als Kopf der Befehlskette zu Khashoggis Schlächtern – kein übertriebener Begriff in diesem Fall – gesehen wird. In Saudi-Arabien selbst, wo inzwischen ein völlig intransparenter Gerichtsprozess stattgefunden hat, blieb Qahtani unbehelligt. Ein anderer auf der türkischen Anklageliste stehender Prominenter, Geheimdienstvizechef Ahmed al-Asiri, wurde in Saudi-Arabien freigesprochen.

Jamal Khashoggi wurde am 2. Oktober 2018 in Istanbul ermordet.
Foto: APA/AFP/MOHAMMED AL-SHAIKH

Für Saudi-Arabien und die Anhänger von Kronprinz Mohammed bin Salman, die auch außerhalb des Königreichs zu finden sind – wozu viel PR-Geld ausgegeben wird –, ist die Sache klar: Es handelt sich um eine politische Attacke, hinter der die Muslimbrüder stehen, zu denen sie den türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan rechnen. Da ist zwar prinzipiell durchaus etwas dran: Saudi-Arabien und die Türkei ringen um den Einfluss in der gesamten islamischen Welt. Aber das Verbrechen an Khashoggi, der ein Kritiker des Kronprinzen, aber kein Gegner des Königshauses war, wiegt, was es hat. Und die internationale Gemeinschaft muss damit umgehen.

Die türkische Anklage zerstört die saudischen Hoffnungen, die Khashoggi-Affäre würde langsam in Vergessenheit geraten. Der Zeitpunkt, den Ankara gewählt hat, ist brisant – und der Verdacht, dass das Absicht war, zulässig: Saudi-Arabien hat derzeit den G20-Vorsitz inne, und die Staats- und Regierungschefs der Staatengruppe, die 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung repräsentiert, wurden am Donnerstag zu einem Corona-Krisengipfel einberufen.

Er wurde von König Salman geleitet und fand natürlich per Video statt: Insofern hat Corona einigen Ländern die Frage abgenommen, wie man mit dem Kronprinzen umgehen soll. Die jüngste – dem Kronprinzen zugerechnete – Säuberungswelle in Saudi-Arabien, die sogar den letzten Vollbruder des Königs hinter Gitter gebracht hat, wird die Beziehungen weiter komplizieren. (Gudrun Harrer, 26.3.2020)