Die Medien- und Performancekünstlerin Barbis Ruder wohnt in einer Künstlerinnen-WG am Wiener Donaukanal. Von hier aus tritt sie dieses Wochenende beim virtuellen Homestage Festival auf.

"Ich wohne gemeinsam mit den beiden Künstlerinnen Susanne Schuda und Simona Koch in dieser wunderschönen Altbauwohnung am Donaukanal. Sus lebt schon seit 20 Jahren hier. Vor neun oder zehn Jahren bin ich eingezogen. Es war ein Sommer, in dem es in meinem Leben drunter und drüber ging. Dann kam ich in diese Wohnung und wurde wenig später an der Angewandten aufgenommen. So hat sich alles gefügt. Und seither ist es im Fluss.

Von ihrem Fenster aus schaut die Künstlerin Barbis Ruder gern auf den Donaukanal.
Foto: Lisi Specht

Apropos: Das Wohnen am Wasser ist mir wahnsinnig wichtig. Ich bin in meinem Leben schon oft umgezogen und habe interessanterweise sehr oft an Flüssen gelebt. Es ist besonders in der derzeitigen Situation toll, einen Ausblick zu haben und nicht einfach nur auf die gegenüberliegende Hauswand zu schauen. Die Frage ‚Was ist da los?‘ stellt man sich, wenn man runter zum Donaukanal schaut, relativ oft. Vor einigen Jahren schaute ich zum Beispiel aus dem Fenster, als gerade ein Floß ins Wasser gelassen wurde. Ich bin runter und wollte mir anschauen, was da passiert. Da ruderten plötzlich lauter Achterboote vorbei. Das war total faszinierend. Seither bin ich Mitglied im Wiener Ruderclub Pirat. Mit meinem Nachnamen war das aber auch ein naheliegendes Schicksal.

Die Aussicht hat leider einen Nachteil: die Geräuschkulisse der Autos, die Tag und Nacht vorbeirauschen. Derzeit ist aber viel weniger los. So kann ich in der Nacht viel besser schlafen – und mir vorstellen, wie schön eine autofreie Zukunft sein wird.

Meine Mitbewohnerinnen und ich kennen uns schon sehr lange und sind gut aufeinander eingegroovt. Es ist ein wenig wie alleine wohnen, aber man steht mit anderen Menschen in Verbindung. Es ist keine Zweck-WG. Unsere Wohnung ist für uns alle ein Rückzugsort. Treffpunkt ist der kleine Küchentisch, an dem wir gemeinsam Kaffee trinken und Küchengespräche führen.

"Wir sind gut aufeinander eingegroovt", sagt Barbis Ruder.
Foto: Susanne Schuda

Sus hat die 153 Quadratmeter große Wohnung vor 20 Jahren renoviert. Es ist ein Altbau, der nicht super hochrenoviert ist, sondern seinen Altbaucharakter behalten hat. Ich würde den Stil als liebevoll abgerockt bezeichnen. Ich bewohne ein Schlafzimmer und ein Durchgangszimmer, das ich als Arbeitszimmer nutze. Ich versuche immer, so wenige Sachen wie möglich in eine neue Wohnung mitzubringen und die Wände leer zu lassen. Aber das funktioniert nie. Ich habe einige Möbelstücke von Vormietern übernommen. Das Schlafzimmer versuche ich medienfrei zu halten. Computer, Musikinstrumente und Schneidetisch stehen im Arbeitszimmer. Hier stehen auch meine Nähmaschine, meine Bücher – und ein großer Kalender für meine Jahresplanung, die sich komplett zerschlagen hat.

Die Wohnung ist für mich ein ständiges Überholungsprojekt. Für einen großen Lagerschrank habe ich gerade erst einen Vorhang genäht, damit man das Chaos dahinter nicht sieht. Und meine vielen Pflanzen freuen sich derzeit über besonders viel Zuneigung. Vielleicht wäre jetzt auch ein guter Zeitpunkt, sich eine Katze zuzulegen. Jetzt ist auch Zeit, mehr zu zeichnen und mehr Musik zu machen – sich deswegen aber auch keinen Druck zu machen.

Barbis Ruders Mitbewohnerin Susanne Schuda in der Küche. Die dritte im Bunde, Simona Koch, weilt derzeit in Deutschland und wurde in Form eines Auges für den STANDARD verewigt.
Foto: Barbis Ruder

Homeoffice ist für mich ein Normalzustand. Die Umstellung fällt mir daher nicht so schwer. Eine Herausforderung für meinen Auftritt beim Homestage Festival dieses Wochenende wird aber sein, dass ich viel Equipment in einem Lager verstaut habe, auf das ich jetzt keinen Zugriff habe.

Das derzeitige Gefühl der Isolation in der eigenen Wohnung erinnert mich ein wenig an das Gefühl, das ich nach Umzügen hatte, wenn ich noch niemanden an meinem neuen Wohnort kannte. Das ist jetzt insofern besser, weil ich weiß, wo meine Heimat und meine Freunde sind.

Langfristig träume ich davon, in einem alten Wiener Gründerzeithaus mit lauter anderen Künstlerinnen und Künstlern in einer Genossenschaft zu wohnen, generationenübergreifend und mit gemeinsamem Proberaum. Wenn möglich am Wasser." (27.3.2020)