Markus Kraetschmer knallt sich im Homeoffice die Hand auf die Stirn: "Wenn ich von Corona-Partys höre, frage ich mich, was in solchen Leuten vorgeht." Der Vorstandsvorsitzende der Wiener Austria hat sich das Zimmer seiner Tochter für Videokonferenzen ausgeborgt, in Partystimmung ist er nicht. Der Bundesligist setzt das Kurzarbeitsmodell um, will auf Kündigungen verzichten: "Unser Ziel ist es, Jobs zu erhalten. Dafür müssen wir mit allen Mitarbeitern Einzelvereinbarungen treffen, von Alexander Grünwald bis zum Co-Trainer der U7. Wir wissen nicht, wann der Fußball zurückkehrt. Wir hängen alle in der Schwebe."

Markus Kraetschmer schließt aus, dass bei Abbruch der Liga der LASK zum Meister erklärt wird.
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Es kommt nicht häufig vor, dass der 48-jährige Kraetschmer und Rapid-Geschäftsführer Christoph Peschek einer Meinung sind. In diesen Tagen ist man sich weitgehend einig. Das Kerngeschäft beider Vereine ist – Wimpel und Badeschlapfen in Ehren – der Fußball. Wird nicht gespielt, fehlt no na net die Grundlage. "Jeder kann sich ausmalen, was passiert, wenn wir in diesem Kalenderjahr nicht mehr spielen können. Dann sind keine TV-Gelder und Sponsoren zu lukrieren. Dann wird es viele Vereine geben, die den Profibetrieb nicht mehr aufrechterhalten können. Die Situation ist existenzbedrohend."

Suche nach Sponsoren

Die Austria schwimmt nicht im Geld. Erst Ende Februar sprach Präsident Frank Hensel nach der Generalversammlung von einer "schwierigen Situation". Man sei zwar stolz auf die Generali-Arena, aber an den Grenzen der finanziellen Möglichkeiten. Der Suche nach einem finanzstarken Partner wurde oberste Priorität eingeräumt. In Zeiten des Coronavirus gestalten sich Verhandlungen mit Sponsoren alles andere als einfach: "Wir hatten vor der Krise gute Gespräche mit einem neuen Partner", sagt Kraetschmer. "Angesichts der Rezession stellt sich aber nicht nur die Frage, ob ein Sponsor will – sondern auch, ob er kann."

Die Austria wäre als Tabellensiebenter mit vier Punkten Vorsprung auf Schlusslicht SKN St. Pölten in die Qualifikationsgruppe gestartet. Nun aber ruht die Liga zumindest bis Anfang Mai. Noch lebt die Hoffnung, die Meisterschaft zu einem Ende zu bringen. Die Vereine besprechen in einer Konferenz nach Ostern die weitere Vorgangsweise: "Dann kann man hoffentlich schon einschätzen, ob im Mai gespielt werden kann. Vorher muss ein Training möglich sein. Man kann nicht heute aufsperren und morgen spielen."

Wann Fußballfelder wieder von Spielern betreten werden können, ist ungewiss. Die österreichische Liga wartet die Entwicklungen ab.
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Durch die Absage der Europameisterschaft besteht die Möglichkeit, die Saison bis in den Juli zu ziehen. Zur Not ließe sich der Modus ändern. Drei Vierergruppen mit sechs Spieltagen sind eine Option. Damit könnte man die Saison um vier Runden verkürzen. Würde ein nicht undenkbarer Abbruch der Meisterschaft den LASK zum Meister machen? Immerhin gab es eine Hin- und eine Rückrunde, die sportliche Fairness wäre gegeben. "Nein", antwortet Kraetschmer. "Ein Abbruch führt nach derzeitigem Stand der Dinge dazu, dass es keine Resultate gibt. Keinen Meister, keinen Absteiger, keine Europacup-Starter."

"Fake-News"

Zuletzt geisterte eine Meldung durch die Medien, die europäische Dachorganisation Uefa würde allen Mitgliederverbänden vorschlagen, die aktuellen Tabellenführer zum Meister zu küren. Kraetschmer kurz und bündig: "Fake-News." Und wenn Österreich die Situation schneller in den Griff bekommt als Italien, Spanien oder England: Kann man Bundesliga spielen, während ringsherum in den großen Ligen pausiert wird? "Das ist vorstellbar, damit muss man sich auseinandersetzen. Wir haben eine wichtige Funktion in der Freizeitgestaltung", sagt Kraetschmer und verweist auf die Aussagen von Jean-Michel Aulas.

Der Präsident von Olympique Lyon sieht die Priorität im lokalen Fußball und hat zur Rettung der nationalen Ligen einen Abbruch der Saison im Europapokal ins Gespräch gebracht. Und das, obwohl Olympique noch in der Champions League engagiert ist.

Ende der Kette

An europäische Spiele ist derzeit ohnehin nicht zu denken. Weder an das auf unbestimmte Zeit verschobene Champions-League-Finale der Frauen, das eigentlich am 24. Mai in der Generali-Arena hätte stattfinden sollen, noch an sonst eine Partie. "Das Letzte, was die Leute in Italien derzeit interessiert, ist, wann in San Siro wieder gekickt wird."

Kraetschmer ist Realist: "Die Rückkehr in die Normalität wird stufenweise erfolgen. Der besuchte Fußball kommt am Ende der Kette." Und selbst bei einer Wiederaufnahme gebe es keine Garantie: "Was passiert beim nächsten Infektionsfall? Wird dann wieder die Meisterschaft ausgesetzt?" Kraetschmer hat normalerweise Antworten parat, diesmal muss er passen: "Wir fischen in dunklem Wasser." (Philip Bauer, 26.3.2020)