Bild nicht mehr verfügbar.

Präsident Andrzej Duda möchte im Mai wiedergewählt werden.

Foto: Reuters / Goga

Die seit Jahren laufende Justizreform in Polen hat viele Facetten – und ebenso vielfältig ist die Kritik an ihr. Für die Opposition im Land wie auch für viele Vertreter von Institutionen der Europäischen Union ist sie nämlich nichts anderes als der Versuch, die Gerichte des Landes Schritt für Schritt unter die Kontrolle der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu stellen. Genau das käme einer Aushebelung der Gewaltenteilung zwischen Politik und Justiz gleich – ein No-Go für die EU mit ihrer starken Betonung rechtsstaatlicher Prinzipien.

Am Donnerstag aber haben Gegner der Reform vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einen Rückschlag erlitten. Dieser nämlich hat sich im Streit um mögliche Disziplinarverfahren gegen polnische Richter für nicht zuständig erklärt.

Mächtiger Justizminister

Hintergrund: Im Zusammenhang mit zwei konkreten Verfahren hatten polnische Gerichte die Sorge geäußert, dass ihre Urteile Disziplinarmaßnahmen gegen die in den jeweiligen Fällen verantwortlichen Richter nach sich ziehen könnten. Diese Befürchtungen schienen zunächst nicht aus der Luft gegriffen zu sein. Immerhin waren die Durchgriffsrechte von Justizminister Zbigniew Ziobro, der zugleich Generalstaatsanwalt ist und als einer der Hardliner in der polnischen Regierung gilt, durch Teile der Justizreform massiv ausgebaut worden. Gerade die Disziplinargerichtsbarkeit, so fürchten seither viele, könne auf diese Art zu einem Werkzeug werden, um missliebige Personen aus dem Richterstand zu entfernen.

Dass der EuGH sich dennoch nicht mit der Sache beschäftigen will, hat formale Gründe. In der Entscheidung vom Donnerstag hieß es, es gebe keinen Zusammenhang zwischen dem EU-Recht, auf das sich die Gerichte bei ihrem Gang nach Luxemburg bezogen hätten, und den Verfahren, die sie konkret verhandelten – und in denen sie sich unter Druck fühlten.

Dennoch gab es für die kritischen Richter auch eine gute Nachricht: In Luxemburg betonte man, dass ihnen keinesfalls Disziplinarverfahren drohen dürften, weil sie den EuGH angerufen hätten. In dieselbe Kerbe schlug auch EU-Kommissionssprecher Christian Wigand: Die Entscheidung vom Donnerstag, betonte er, habe keinerlei Einfluss auf ein nach wie vor laufendes Verfahren vor dem EuGH, das sich direkt mit den neuen Regeln für Disziplinarmaßnahmen gegen polnische Richter beschäftigt. Mit anderen Worten: Die Kritik an den oft als Maulkorb bezeichneten Disziplinarregeln für polnische Gerichte ist noch lange nicht vom Tisch.

Debatte um Wahltermin

Die Justizreform der Regierung hat bereits massive Eingriffe in das Verfassungsgericht, das Höchstgericht und den wichtigen Landesjustizrat gebracht. Immer wieder haben die Regelungen zu Verfahren in Luxemburg geführt, zuletzt im Zusammenhang mit der Zwangspensionierung von Höchstrichtern. Zudem läuft gegen Polen ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags. Es könnte theoretisch zum Entzug der Stimmrechte im Europäischen Rat führen, ist aber zuletzt ins Stocken geraten.

In Polen diskutiert man derzeit obendrein eine Verschiebung der Präsidentschaftswahl wegen der Corona-Krise. Die Wahl soll bereits am 10. Mai stattfinden. Die Opposition fordert die Verlegung auf einen späteren Zeitpunkt, auch fast drei Viertel der Bevölkerung würden laut Meinungsforschern eine Verschiebung begrüßen. Amtsinhaber Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, führt jedoch in den Umfragen, die PiS hält vorerst am geplanten Wahltermin fest. (Gerald Schubert, 26.3.2020)