Auch NGOs kritisieren, dass es noch immer keine Verbesserungen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gebe.

Foto: Der Standard / Matthias Cremer

Wien – Erst vergangenen Monat zeigte sich das Innenministerium über die Arbeit der Asylbehörde höchst erfreut: Der "Rucksack" an Asylverfahren aus den Jahren 2015/16 sei mittlerweile vollständig abgebaut, die Verfahren würden nicht länger als drei Monate dauern, hieß es bei einer Pressekonferenz. So eifrig die Beamten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) auch arbeiten mögen, haftet an dieser Darstellung ein Schönheitsfehler: Knapp 45 Prozent der rund 17.000 beanstandeten BFA-Entscheidungen wurden im vergangenen Jahr in zweiter Instanz aufgehoben oder abgeändert. Das zeigt eine parlamentarische Anfragebeantwortung des Justizministeriums.

Im vergangenen Geschäftsverteilungsjahr wurden rund 7.690 von 17.080 Entscheidungen erfasst, die vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) aufgehoben oder geändert wurden. Im Jahr 2018 betraf dies noch 8.890 von 20.650 Entscheidungen, also rund 43 Prozent. Damit steigert sich die Quote der aufgehobenen oder abgeänderten Entscheidungen des BFA durch das BVwG um rund zwei Prozentpunkte. "Das ist nicht nur teuer, das ist inakzeptabel", sagt die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper zur Beantwortung ihrer Anfrage.

Einige Verfahren, die gegen Ende des Jahres abgeschlossen wurden, sind laut Justizministerium in dieser Statistik noch nicht erfasst. Auch merkt das Innenministerium an, dass die alleinige Zahl der Abänderung von Entscheidungen noch nichts über die Qualität der Arbeit im BFA aussagt. Die Gründe für eine Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung sind vielfältig und außerdem beinhalte jedes Verfahren mehrere Einzelentscheidungen, so das Innenministerium. Das Justizministerium lieferte in diesem Jahr keine Daten, wie viele Verfahren von den 7.690 Einzelentscheidungen, die aufgehoben oder abgeändert wurden, betroffen sind. Im Jahr 2018 betrafen die 8.890 Einzelentscheidungen rund 8.270 Verfahren.

Fehler im System

Trotzdem fühlen sich Kritiker bestätigt: Wenn fast jede zweite Asylentscheidung, gegen die sich ein Betroffener wehrt, nicht vor der höheren Instanz hält, muss es einen groben Fehler in der Organisation geben, so der Tenor. "Das System ist darauf ausgelegt, dass es in zweiter Instanz korrigiert wird", sagt der Diakonie-Asylrechtsexperte Christoph Riedl. Beispielhaft nennt Riedl die kurze Ausbildung der Beamten. Die Gesetzesmaterie sei komplex, Studienabschlüsse, etwa in Rechtswissenschaften, oder auch einschlägige Berufserfahrung werden aber nur in seltenen Fällen verlangt, so Riedl.

Schon der Rechnungshof bemängelte die uneinheitlichen Ausbildungsstandards innerhalb des BFA. Nicht einmal ein Fünftel des Personals sei speziell geschult, so der Befund im vergangenen November. Das Innenministerium versichert, dass die Empfehlungen des Rechnungshofs ernst genommen werden. Qualitätssicherung sei ein "prioritäres Anliegen".

Arbeit für Gerichte

Die hohe Aufhebungs- bzw. Abänderungsquote in der ersten Instanz führe laut Herbert Langthaler vom Asyl-NGO-Zusammenschluss Asylkoordination automatisch zu längeren Asylverfahren. Laut der Anfragebeantwortung wird nur rund ein Drittel der Verfahren in zweiter Instanz innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von sechs Monaten abgeschlossen.

Lange Verfahren machen nicht nur den Betroffenen zu schaffen, sondern bedeuten auch zusätzliche Aktenberge an den Gerichten. Hier werde Arbeit auf das BVwG "abgewälzt", so Langthaler.

Die Verzögerungen bei den Asylverfahren könnten sich in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie noch weiter zuspitzen. Fristen sind einstweilen ausgesetzt, es liege daher auf der Hand, dass es zu entsprechenden Verzögerungen bei der Verfahrensführung komme, sagt ein Sprecher des BvWG zum STANDARD. Ob durch den vorprogrammierten Rückstau zusätzliche Ressourcen gebraucht werden, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschätzt werden. (Laurin Lorenz, 26.3.2020)