Bis wieder Studierende in den Hörsälen zu finden sein werden, streamen Vortragende ihre Vorlesungen ohne direkte Zuhörer.

Der Standard

Seit 16. März sind an den Hochschulen die Vorlesungs- und Seminarräume geschlossen. Studieninhalte werden nur noch in virtuellen Räumen vermittelt. "Die Ankündigung der Regierung, die Unis zu schließen, hat zu einer großen Welle an Motivation geführt", sagt Gerhard Brandhofer, Mediendidaktiker an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich (PHNÖ). Auch an der Uni Wien habe die Digitalisierung der Lehre seit Mitte März eine neue Dynamik bekommen, ergänzt Vizerektorin Christa Schnabl. "Es sind zwar noch nicht alle Fragen geklärt, aber vieles konnte in den vergangenen Tagen bereits gelöst werden", sagt sie.

Aus den Rückmeldungen, die Brandhofer im Rahmen seiner Tätigkeit bekommt, lassen sich die Lehrenden in drei Gruppen einteilen. Zum einen gibt es Lehrende, die bei der Umstellung auf Distance-Learning keine Probleme hatten, weil sie schon bisher vieles digital angeboten haben. Weiters gibt es eine große Gruppe hochmotivierter Lehrender, die aber bisher wenig Erfahrung oder konkrete Vorstellungen hatten, wie sie E-Learning am besten umsetzen können. Und dann gebe es noch einige wenige Lehrende, die unter E-Learning hauptsächlich verstehen, E-Mails mit den Inhalten zu verschicken.

Unterschiedliche Formen

Die Methoden, die zum Einsatz kommen, hängen stark von der Art der Lehrveranstaltung ab, sagt Brandhofer. Bei größeren Vorlesungen sei Streaming aus dem leeren Hörsaal für den Vortragenden zwar spooky, aber durchaus sinnvoll. Videokonferenzen wiederum stellen eine funktionierende Alternative für kleinere Seminare mit Möglichkeiten zur Interaktion dar. E-Portfolios als digitale Sammelmappen sind für Brandhofer im Bereich der Hochschullehre jedenfalls eine spannende Möglichkeit, auch weil diese Methode zur Beurteilung genutzt werden könne.

Kritisch sieht Brandhofer hingegen Videos, die zeitunabhängig konsumiert werden können. Werde ausschließlich auf diese asynchronen Lernvideos gesetzt, könne das noch stärker zum sogenannten Bulimie-Lernen führen, bei dem kurz vor der Prüfung die Videos angeschaut würden und nach der Prüfung die Inhalte schnell wieder weg seien. Schwierig sei es klarerweise bei Lehrveranstaltungen, bei denen der Kontakt zu Personen wichtig sei. "Die Lehrer in Ausbildung beispielsweise betreuen jetzt die Schüler online." Das könne die Digitalisierung im Bildungsbereich vorantreiben. Es bestehe aber auch die Gefahr, so Brandhofer, dass E-Learning das Stigma für Lernen in der Krise bekommt.

Didaktik ist die Challenge

Technisch sind Hochschulen jedenfalls gut aufgestellt, die fehlenden Serverkapazitäten rasch aufgestockt. Die Herausforderung sei eher die Didaktik, sagt Brandhofer. Für Lehrende sei es aufwendig, von teilweise digital und analog auf 100 Prozent digital umzusteigen, sagt Schnabl. "Da sind die Umstellungen derzeit unterschiedlich weit. Auch auf technischer Seite sind noch einige Herausforderungen zu meistern, insbesondere für große Settings. Wir testen gerade verschiedene Systeme, um möglichst viele Erfahrungen sammeln zu können." Getestet werde auch, wie Prüfungen online abgehalten werden können.

Der Digitalisierungsschub sei für Schnabl nicht mehr aufzuhalten. "Schon nach zwei Wochen ist vieles selbstverständlich geworden, einiges davon wird sicher bleiben. Natürlich werden wir nach dieser Krisenzeit evaluieren und schauen, was dauerhaft zum Einsatz kommt." (Gudrun Ostermann, 28.3.2020)