Schon vor der Krise verdrägte der Onlineeinkauf zusehends den stationären Handel. Dennoch plagt viele Menschen ein schlechtes Gewissen.

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Seit Tagen ist der stationäre Handel in vielen Ländern der Welt auf ein Minimum heruntergefahren. Die Folge: Shoppen von der eigenen Couch ist plötzlich auch für jene Konsumenten eine Option, die es bisher verweigert haben. Dem Onlinehandel prognostiziert der österreichische Handelsverband in den nächsten Wochen und Monaten ein ordentliches Wachstum. "Er wird insbesondere durch die psychologischen Folgen der Corona-Krise mehr Zuspruch erhalten", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. So wurde etwa auch der zweitgrößte chinesische Onlinehändler JD.com einst nach der Sars-Epidemie gegründet, weil Kunden nicht mehr in stationären Geschäften einkaufen wollten.

Dennoch ist der Ruf des Onlineshoppings nicht der Beste. Das Bild in zweiter Reihe parkender und Stau verursachender Lieferanten hat sich eingeprägt. "Das ist der sichtbare Teil, wodurch offensichtlich mehr Verkehr mit entsprechenden Emissionen erzeugt wird", sagt Wolfgang Stölzle. Er forscht zu Logistikmanagement an der Universität St. Gallen: "Trotzdem ist der schlechte Ruf des Onlinehandels bezüglich seiner Auswirkungen auf das Klima meist unbegründet", so Stölzle.

Unberücksichtigte Faktoren

Entscheidend sei nämlich nicht, ob der Einkauf online oder in einem Geschäft getätigt werde. Ein Einkauf im Geschäft kann durchaus schädlicher als ein Onlineeinkauf sein, wenn etwa weite Wege mit dem Pkw zurückgelegt werden. Auch die Antriebsarten – ob Elektro oder Verbrenner – der Autos müssen einberechnet werden. Weder die eine noch die andere Variante sei per se belastender für die Umwelt, die Zusammenhänge müssten im Detail betrachtet werden.

Stölzle verglich dazu die Klimawirkungen verschiedener Einkaufsszenarien in der Schweiz in Bezug auf Emissionen, die bei der Auslieferung anfallen. Andere Faktoren, wie der CO2-Ausstoß der Herstellung, sowie die Herkunft und die Verpackungen, wurden in seiner Studie aber nicht berücksichtigt.

Planen und bündeln

Entscheidend ist etwa ob der Einkauf in der Innenstadt oder einem ländlicheren Gebiet stattfindet. Dabei seien Grenzen oft fließend, auch weil Waren bei einer Paketstation oder einem Store abgeholt werden können – vielleicht schon in naher Zukunft ergänzt durch Drohnenflugplätze und Paketabwurfstellen. "Es gibt viele Mischformen und Brücken zwischen den Kategorien. Wir leben in einer so genannten Omnichannel-Welt", so Stölzle – einer Welt mit mehr und unterschiedlichen Lieferketten.

Lieferanten optimieren ihre Wege. Kaum ein Paket fahre einzeln, "weil die Unternehmen möglichst ökonomisch ausliefern wollen", so der Logistikexperte. Auch auf der so genannten letzten Meile, dem letzten Stück des Zustellungsweges, werde so gut es geht gebündelt. Wer auf dem Land wohnt, sei daher möglicherweise besser beraten, sich Waren liefern zu lassen, statt mit dem eigenen Pkw lange Strecken zur nächsten Filiale zu fahren.

Neben diesen Faktoren habe der Konsument aber selbst viel in der Hand, um die Emissionen im Handel gering zu halten, so Stölzle. Er rät grundsätzlich, den Einkauf zu planen und möglichst viele Dinge gleichzeitig, anstatt einzeln zu bestellen.

Trend zur Regionalität und Verzicht

Mehr auf einmal einzukaufen, verringert die Emissionen pro Artikel extrem. Noch besser wäre es natürlich, generell weniger einzukaufen oder zumindest für den physischen Einkauf öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Und ganz wichtig sei es, bei Internetbestellungen Retoursendungen zu vermeiden. Im Schnitt wird jede sechste Bestellung zurückgeschickt, am höchsten ist die Rücksendequote bei Mode.

Damit der Großteil der Umsätze und Umsatzzuwächse nicht nur bei internationalen Plattformen wie Amazon oder Alibaba landet, sei es jetzt aber wichtig, regionale Plattformen zu nutzen, rät der Handelsverband. Kleine und mittelgroße österreichische Läden mit Umsatzeinbußen sind jetzt auf eine Verlagerung ihres Geschäfts in den virtuellen Raum angewiesen. Bis dato gibt es rund 12.000 österreichische Webshops.

"Es könnte auch sein, dass durch die Krise viele kleinere Versandshops einen Aufschwung erleben", so Stölzle. In Zukunft werde der Faktor Regionalität auch den Onlinehandel immer mehr bestimmen: "Man wird nach der Krise viel stärker aus der Region für die Region handeln, darauf wird sich auch der Onlinehandel einlassen."

Auch von Seiten der Unternehmen gibt es zukunftsweisende Bemühungen den Versand klimaschonender zu machen. Immer mehr Firmen bieten umweltfreundliche wiederverwendbare Versandboxen an. Diese werden entweder von Boten abgeholt, oder können für monetäre Anreize wie Gutscheine oder Cahsback in nahgelegenen Versandstationen retourniert werden. (Pia Gärner, 30.3.2020)