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Während viele Eltern über ständig neue Arbeitsaufträge für ihre Kinder stöhnen und oft nur mit Müh und Not den Spagat zwischen Homeoffice und Aushilfslehrkraft hinbekommen, haben andere Familien ganz andere Probleme. Was, wenn es von daheim keine Unterstützung gibt? Wenn der Computer zum Onlinelernen fehlt, eine stabile Internetverbindung oder ein geregelter Tagesablauf keine Selbstverständlichkeit ist?

Das Bildungsnetzwerk Teach for Austria konzentriert sich seit Jahren auf die Arbeit mit benachteiligten Schülerinnen und Schülern. Kurz nach dem Corona-bedingten Unterrichtsende hat man eine Umfrage unter rund 200 "Fellows" an Schulen in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich gestartet – so werden jene jungen Studienabsolventen genannt, die nach positivem Assessment und Ausbildung für einen bestimmten Zeitraum als Lehrkräfte an sogenannten Brennpunktschulen arbeiten. Gemeint sind jene Schulen, die als sozial "hoch oder sehr hoch belastet" gelten. Geantwortet haben zu Beginn der zweiten Homeschooling-Woche 110 dieser Fellows: Sie geben Einblick, wie sehr sich der Schulalltag gerade für benachteiligte Kinder in Zeiten der Coronavirus-Krise verändert hat.

4.000 Schülerinnen und Schüler nicht erreichbar

Die Lehrerinnen und Lehrer von Teach for Austria erachten es gerade jetzt für unerlässlich, regelmäßigen Kontakt zu ihren Schülerinnen und Schülern zu halten. Das gelingt auch immerhin mit 80 Prozent der Kinder. Allerdings: Ganze 20 Prozent der jungen Menschen sind für die befragten Lehrkräfte "derzeit gar nicht erreichbar". Die Fellows erklären sich das mit fehlender Hardware beziehungsweise schlechter Internetverbindung. Bei Teach for Austria rechnet man hoch: Das bedeute, dass "circa 4.000 Schülerinnen und Schüler derzeit nicht von ihren Lehrerinnen und Lehrern mit Lernangeboten erreicht werden".

Welche Schwierigkeiten sich noch auftun? Mehr als 60 Prozent der Befragten erwähnen die Motivation der Kinder und Jugendlichen als große Hürde, fast ebenso viele geben an, dass es daheim an Unterstützung fehle. Etwas mehr als die Hälfte der Fellows geht davon aus, dass ihre Schülerinnen und Schüler mit dem E-Learning schlicht überfordert sind. Rund die Hälfte geht zudem davon aus, dass es Probleme mit einem geordneten Tagesablauf beziehungsweise mit der selbstständigen Organisation desselben gibt.

"Distance Learning für Kinder der Mittel- und Oberschicht"

"Viele meiner Schülerinnen und Schüler sind derzeit komplett auf sich allein gestellt", schreibt eine Teach-for-Austria-Lehrkraft. Sie würden "nicht über genug Medien und Hardware daheim verfügen, da ihnen die Eltern meist nicht helfen können und sie daheim auch gar nicht die nötigen Arbeitsplätze haben". Schlussfolgerung: "Das sogenannte Distance Learning mag bei Kindern der Mittel- und Oberschicht funktionieren, unsere Schülerinnen und Schüler sind hier klar im Nachteil."

Auch darüber, wie der Kontakt am besten gehalten werden kann, gibt die Umfrage Auskunft: 62 Prozent der Fellows erreichen die Kinder und Jugendlichen über das Smartphone, 36 Prozent stehen via Tablet oder Laptop in Kontakt. (Karin Riss, 27.3.2020)