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Wir Journalisten berichten in diesen Wochen ausführlich über den Stand der nicht mehr standhaften Dinge. Also berichtete "Profil"-Chef Christian Rainer vom harten Los einer überwiegend auf Homeoffice gesetzten Zunft und überschrieb seinen Leitartikel mit den Worten: Iden des März. Interesse war ihm damit sicher, waren die Iden des März zum Erscheinungsdatum des Heftes doch bereits eine Woche vorüber. Immerhin stimmte der Monat, und auf der Suche nach einer Erklärung für dieses Auseinanderklaffen von altrömischer Datierung und neuzeitlicher Titelgebung suchte man im Text nach Aufklärung. Die Erwartung, aktuelle Informationen über Seuchen im alten Rom zu erhalten, oder wenigstens die Mitteilung, dass Shakespeare gelogen und es ein Virus war, das Julius Cäsar niedergemetzelt hat, wurden von Rainer enttäuscht. In der Folge war weder von Iden noch von einem März die Rede, dafür von einer Corona-Krise, die zeigt, wie plötzlich, unerwartet, im Konkreten auch unvorhersehbar sich das Gestern vom Heute spaltet. Da ist viel dran, wie die Iden des März beweisen, und ebenso viel wie an der tröstlichen Mitteilung: Die Corona-Krise ist nicht im Entferntesten das Ende von allem. Aber der Titel war gut.

Je länger die krisenbedingte Isolationsfolter andauert, desto schwerer wird es nicht nur für die Regierung, sondern auch für die Medien, noch mit originellen Bewältigungsstrategien aufzuwarten, fehlt es auch nicht am Bemühen. Der Aufwand an Psychologen, praktischen Philosophen, Balkonberatern, Krisentherapeuten, Beiträgern von Kochrezepten etc., den sich Medien leisten, ist enorm. Die Auferstehung von Ilse Puck soll auf gymnastischem Gebiet leisten, was die familientherapeutische Einweihung einer handysüchtigen Generation in die Mysterien des "Mensch ärgere dich nicht" zu leisten vermag. Möge diesen Unternehmungen nur der benötigte Erfolg gegönnt sein.

Dem "Kurier" kommt das Verdienst zu, einen originellen Weg zur Linderung der Krise gesucht und in dem Autor Thomas Raab auch gefunden zu haben. Er hat den guten, alten Fortsetzungsroman zurück in ein stark verändertes Leben gerufen, und so erschien derselbe ab Sonntag unter dem Titel Neurosen und Altlasten im Kulturteil des Blattes. Vom Autor selbst wurde das literarische Unterfangen in einer Art Vorwort als Unvernunft in Reinsubstanz charakterisiert, womit er sein Licht eindeutig unter den Scheffel stellte.

Der therapeutische Effekt der wiederbelebten Textsorte soll darin bestehen, dass "Kurier"-Leser sich vor Ansteckung schützen, indem sie ihr Heim nicht verlassen, um dem Autor bei der Entstehung eines neuen Werks quasi live zuzuschauen – Lesestoff in der Krise. Noch nie hat Literatur einem edleren Zweck gedient, und der Autor hat sich damit einen Weg in die Weltliteratur eröffnet. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist bekanntlich ein genialer erster Satz, von dem an sich die Handlung konsequent weiterspinnt. Raab eröffnete mit: Als Rudolf Pschemisl an diesem Sonntagmorgen seine Schlafzimmervorhänge zur Seite schob, hätte sich die Welt von ihrer besten Seite gar nicht schöner zeigen können. Besser geht’s nicht, und schon gar nicht in Zeiten der Corona-Krise.

Von einer wunderbaren Wandlung in diesen schweren Zeiten konnte "News" berichten. In seinen ersten Amtswochen gab Innenminister Karl Nehammer noch den bedingungslosen Hardliner. In der Corona-Krise wandelt sich sein Auftritt. Wer war es, der neulich sagte, die Krise ist eine Chance? Für Nehammer bietet die Corona-Krise die Chance, sich von einer anderen Seite zu zeigen. Gar nichts Gutes soll sie haben? Der donnernde Hardliner in Sachen Migration kann auch mild und abwägend.

So erlebt Österreich dieser Tage auch den Innenminister in ungewohnter Rolle. Aber erst dieser Tage. Im Innenministerium wartete auf Nehammer nicht nur das Erbe seines Vorgängers. Sondern auch die Aufgabe, ehemalige oder potenzielle FPÖ-Wähler mit harter Migrationspolitik bei der Stange zu halten. Man macht halt, was einem aufgetragen wird. Dann kam Corona. Und die Bevölkerung lernte den anderen Karl Nehammer kennen. Aber keine Angst: Fehlerfrei ist der freilich auch nicht. Durchaus vorstellbar, dass er bei einzelnen, besonders harten Positionen der ÖVP – etwa der Weigerung, Kinder und Frauen aus griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen – Bauchweh hat.

Aber nur, wenn es der Bundeskanzler erlaubt. (Günter Traxler, 29.3.2020)