Bild nicht mehr verfügbar.

Die Kunst des Kugelstoßens ist in der Quarantäne für Verena Preiner nur schwer zu trainieren. Mit Rohkraft allein, die sich die 25-jährige Oberösterreicherin aktuell ausreichend im Keller ihres Domizils in Leonding holt, ist es nicht getan.

Foto: AP/ David J. Phillip

Das Reisebüro Schallenberg vulgo Außenministerium musste nicht tätig werden. Die Trainingsgruppe um die Mehrkämpferin Verena Preiner und ihren Coach Wolfgang Adler konnte sich vor zwei Wochen die Abreise aus Teneriffa gerade noch selbst organisieren. Wenn auch auf mehrere Flieger aufgeteilt und mit erheblichen Verspätungen gelang die Heimkehr – ungespitzt quasi in die freiwillige Quarantäne mit dem Freund.

Zuhause ist für Preiner in Leonding. Und der Alltag ist ungewohnt für eine Sportlerin, die gemäß ihrer Profession vielseitig trainieren müsste – Hürdenlauf, Kugelstoßen, Weit- und Hochsprung, Speerwerfen. "Ich mache Kraft und Ergometertraining im Keller, Bewegungsimitationen und Videoanalysen. Manchmal gehe ich in den Garten, an die Luft. Und ich telefoniere täglich mit meinem Trainer", sagt Preiner.

Umstände ausblenden

Spitzensportler sind auch darauf trainiert, Umstände auszublenden, auf die sie ohnehin keinen Einfluss nehmen können. Freilich war auch der Mehrkämpferin Preiner bald klar, dass ihr olympischer Traum in diesem Jahr platzen könnte. Die Absage der für 13. bis 15. März in Nanjing, China, geplanten Hallenweltmeisterschaft hatte die Oberösterreicherin schon Ende Jänner, kurz vor ihrem 25. Geburtstag, zu umfangreichen Planänderungen für eine Saison gezwungen, die vor allem der Ernte gewidmet sein sollte.

Anfang Oktober 2019 war Preiner mit dem Gewinn der Bronzemedaille im Siebenkampf der Freiluftweltmeisterschaften in Doha der erste ganz große Wurf gelungen. Mit 6560 Zählern hatte sie nach drei persönlichen Bestleistungen ihren im Sommer davor in Ratingen, Deutschland, erzielten nationalen Rekord (6591 Punkte) nur knapp verpasst. In Nanjing sollte die nächste Medaille folgen, im Fünfkampf. Nach der Absage war Preiners Hallensaison aber beendet, bevor sie richtig begonnen hatte.

Für Olympia in Tokio wurde ein zweites Trainingslager auf Teneriffa eingeschoben. Die um diese Jahreszeit normalerweise extrem gut gebuchte Anlage in Arona nahe Playa de las Américas im Süden der Insel war da schon ziemlich verwaist. Nur die bulgarische Sprinterin Ivet Lalova zog ihre Runden. Keine 15 Kilometer entfernt stand eine Hotelanlage mit mehr als 1000 Gästen, darunter vielen Österreichern, bereits unter Quarantäne, nachdem ein Italiener positiv auf Covid-19 getestet worden war. Das Training unter diesen Umständen sei wohl ein "komisches Gefühl" gewesen, sagt Preiner. Vier Tage vor ihrer geplanten Heimreise wurde die Trainingsanlage behördlich geschlossen. "Rechtzeitig für uns."

Gerade jetzt wäre die Zeit ganz speziellen Trainings für den sommerlichen Höhepunkt, "mit hohen Wiederholungsanzahlen bestimmter Bewegungsabläufe". Nach der Verlegung der Spiele am vergangenen Dienstag sind Preiners sportliche Sorgen etwas geringer. Jetzt sei mehr Kreativität gefragt, auch des Trainers, "damit ich mich auspowern kann". Entschleunigung muss gelernt werden, aber Preiner ist schon auf dem Weg zur Gelassenheit. "Die Olympischen Spiele sind ja nicht gestrichen. Man hat eben ein Jahr, in dem man sich länger vorbereiten kann."

Sicher dank Heer

Als Heeressportlerin ist Preiner im Unterschied zu etlichen anderen österreichischen Sommersportlern finanziell gut abgesichert. Ein uniformierter Einsatz, wie ihn Kolleginnen und Kollegen im Verteilzentrum einer Supermarktkette werbewirksam leisteten, kam für sie wegen der Quarantäne allerdings noch nicht infrage. Auch auf die Sporthilfe und die persönlichen Sponsoren kann sich die weltweit beste Mehrkämpferin des vergangenen Jahres verlassen. Als solche hatte Preiner vom internationalen Leichtathletikverband für den Gewinn der Gesamtwertung aus elf Meetings 30.000 Dollar kassiert. Mit Prämien für WM-Bronze war sie auf mehr als 70.000 Euro Zusatzeinnahmen gekommen.

Weitere Zahltage sollten folgen. Preiners Planung läuft bis 2024, bis zu den Spielen in Paris. Aber auch die professionellsten Sportlerinnen können aktuell die Umstände nicht ausblenden. (Sigi Lützow, 28.3.2020)