Bürger, die sich nicht ausreichend an Quarantänemaßnahmen oder Ausgangsbeschränkungen halten, werden von Behörden im Netz bloßgestellt.

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Das Coronavirus hat global eine Ausnahmesituation ausgelöst. Auf der ganzen Welt werden Bürger mit Ausgangsbeschränkungen dazu aufgefordert, zuhause zu bleiben, um die Verbreitung der Pandemie einzudämmen. Die Strafen, die es für Verstöße gibt, variieren von milden Verwaltungsstrafen bishin zu drakonischen Härtemaßnahmen.

In Bosnien sorgt nun das Vorgehen einiger Behörden für massive Kritik: Sie haben für jene, die sich nicht an die Quarantäne halten, eine Art "Online-Pranger" eingerichtet. Durch eine öffentliche Bloßstellung sollen jene, die nicht zuhause bleiben, bestraft werden.

Vollständige Adresse

In der Entität Föderation Bosnien und Herzegowina wurde vor wenigen Tagen eine Liste veröffentlicht, in der die Namen von 33 Personen aufgeführt sind, die gegen die Isolationsmaßnahme verstoßen haben. Bekannt gegeben wurden die Gemeinden, in denen die Menschen leben, in einem Fall sogar die vollständige Adresse.

Die Entität Republika Srpska veröffentlicht seit Tagen auf der offiziellen Corona-Informationsseite die Namen jener, die gegen die Quarantäne-Auflagen verstoßen. Es handelt sich dabei oft um ganze Familien, die sich in häuslicher Isolation befinden. Diese Listen werden auch in Tageszeitungen veröffentlicht, bizarrerweise, um darauf hinzuweisen, dass die "Online-Pranger" von der dortigen Datenschutzbehörde per Dekret verboten wurden.

Die Datenschutzbehörde hat sich nach einigen Tagen Zögern klar gegen die Bekanntgabe "persönlicher Informationen und Namen jener Personen, die Isolations- und Selbstisolierungsmaßnahmen unterliegen" ausgesprochen.

Der Direktor der Agentur, Petar Kovačević wies in einem Interview darauf hin, dass der Schutz personenbezogener Daten die Behörden nicht daran hindere, Maßnahmen und Aktivitäten im Kampf gegen die Pandemie zu ergreifen.

"Öffentliches Interesse"

Andere Rechtsexperten, wie etwa Muhamed Mujakić, vertreten der Ansicht, dass in einer Situation, in der der Ausnahmezustand erklärt wird, die Namen derjenigen, die eindeutig gegen Isolationsmaßnahmen verstoßen, veröffentlicht werden können und sollen. Sie würde das "öffentliche Interesse, die öffentliche Ordnung und die öffentliche Gesundheit schädigen". Das veröffentlichen ihrer Namen würde das allgemeine Interesse schützen, "das über dem individuellen, privaten Interesse liegt".

Eine vermummte Frau spaziert durch die Straßen von Sarajevo. Ab 18:00 Uhr gilt die Ausgangssperre.
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Im Allgemeinen werden in Bosnien und der Herzegowina derzeit sehr drastische Maßnahmen und Einschränkungen der Menschenrechte durchgesetzt – ganz ohne Kritik seitens der Opposition oder NGOs. In der Entität Republika Srpska gilt von 20:00 Uhr bis 5:00 Uhr ein allgemeines Ausgangsverbot für alle Bürger. Menschen, die älter als 65 sind, dürfen ihrer Häuser und Wohnungen gar nicht mehr verlassen. In der Entität Föderation von Bosnien und Herzegowina gilt die Ausgangssperre gar von 18:00 Uhr bis 05:00 Uhr.

Die Ausgangssperre wird von der Polizei überwacht. Ebenso jene Personen, die sich in häuslicher Quarantäne befinden. So erhalten Bürger bei der Einreise Bescheide, die ihnen vorschreiben, sich in Quarantäne zu begeben – dabei müssen sie auch eine Adresse angeben. Die Polizei erhält diese Informationen und kontrolliert stichprobenartig. Durchsuchungen auf offener Straße dürfen ohne Anfangsverdacht durchgeführt werden.

Schrems: "Mit Maß und Ziel"

"Grundrechte sind gerade für Krisen da, nicht für Schönwetterzeiten", findet der Datenschützer Max Schrems. "In der EU erlaubt der Datenschutz die Verarbeitung von Daten für ein Eindämmung der Corona-Krise ausdrücklich, aber mit Maß und Ziel´", sagt er zum STANDARD.

Man könne Daten sicher verwenden, um die Quarantäne angemessen zu kontrollieren, aber dafür sei es nicht notwendig, Leute an einen öffentlichen Pranger zu stellen. "Anrufen um zu checken dass Leute zuhause sind oder ab und zu vorbeifahren ist mehr als ausreichend."

Weltweit gehen Staaten mit unterschiedlicher Härte bei der Umsetzung der neuen Beschränkungen um. In Singapur riskieren Einwohner Gefängnis- und hohe Geldstrafen, wenn sie nicht genügend Abstand voneinander halten. In Uganda schoss die Polizei nahe der Hauptstadt Kampala auf zwei Menschen, die gemeinsam auf einem Motorrad führen. Und auch China geht streng mit den Regeln um: Erst kürzlich wurde eine Australierin, die ihre Wohnung trotz 14-tätiger Quarantäne zum Joggen verließ, vom Arbeitgeber entlassen. Daraufhin wurde sie aus dem Land ausgewiesen.

In Südkorea werden Informationen über Personen in Quarantäne veröffentlicht, die teilweise Rückschlüsse auf deren Identität ziehen lassen – so wurde in den vergangenen Wochen auf sozialen Medien regelmäßig sogenanntes "Doxxing" betrieben, also die Veröffentlichung privater Informationen von Personen. (Muzayen Al-Youssef, Olivera Stajić, 29.3.2020)