Egal ob mittels Apps über GPS oder anhand von Funkzellenabfragen: Die Methoden, Smartphones zu tracken, sind vielfältig.

Foto: Elmar Gubisch

Mit der Pandemie kommt der Überwachungsstaat. So scheint es zumindest. Denn weltweit bauen Staaten derzeit die Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Bürger immer weiter aus. Den NSA-Whistleblower Edward Snowden, der vor Jahren die massive Überwachung des US-Geheimdienstes öffentlich machte, besorgt das sehr: Er warnt davor, dass die Maßnahmen, die wir nun schaffen, Corona überstehen könnten. Denn Regierungen fühlten sich schnell wohl mit ihren neuen Befugnissen.

Das Mittel zum Zweck hat mittlerweile so gut wie jeder in der Tasche: das Handy. Es ist mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, die genutzt werden können, um den Standort zu identifizieren. Die Arbeitshypothese vieler Regierungen lautet nun, dass dieser verwendet werden solle, um den Kontakt mit Infizierten nachzuweisen und Nutzer in Quarantäne zu schicken – eine Alternative zu Ausgangsbeschränkungen.

Vorbild China?

Den Anfang machten China und Südkorea, die ihre Bürger umfassend tracken. Dazu gesellten sich nach und nach zahlreiche Staaten, darunter etwa Israel oder die Slowakei. Auch in Österreich offenbart ein mittlerweile veralteter Entwurf des Corona-Gesetzes, dass Smartphone-Überwachung erwogen und später – wohl aus technischen Gründen – verworfen worden war.

Vom Tisch ist sie aber nicht: Am Donnerstag sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dass man die international genutzten Maßnahmen aktuell evaluiere. Die "neue Normalität" werde nicht so sein wie jene vor dem Coronavirus.

China hat im internationalen Vergleich eine Sonderstellung. Die dortige Regierung setzt seit Jahren auf Totalüberwachung. Schon vor der Corona-Krise waren Apps im chinesischen Alltag omnipräsent. Bargeld ist in den vergangenen Jahren fast völlig verschwunden. Es soll sogar Bettler geben, die Almosen bevorzugt über die beiden größten Zahlungsanbieter Wechat Pay oder Alipay annehmen. Kein Wunder also, dass China bei der Eindämmung der Seuche ebenfalls auf Apps setzt. Noch geschieht das nicht flächendeckend, sondern unterscheidet sich je nach Region.

Ein vielversprechendes System kommt aus der Stadt Hangzhou, wo der Mega-Konzern Alibaba seinen Hauptsitz hat. Es wird momentan in rund 200 Städten angewandt. Eine mit Alipay verknüpfte App speichert Gesundheits- und Reisedaten. Basierend auf diesen Daten erhält man einen roten, orangen oder grünen Sticker, den ein Algorithmus errechnet.

Rot bedeutet: 14 Tage Quarantäne, orange: sieben Tage, grün: unbedenklich. Wer etwa einen Supermarkt oder eine Behörde betreten will, muss seine grüne Markierung vorzeigen. In der Provinz Zhejiang, deren Hauptstadt Hangzhou ist, nutzen rund 90 Prozent der Bevölkerung die App.

Der Staat kann damit permanent nachvollziehen, wo sich Nutzer aufhalten. Datenschutz und Persönlichkeitsrechte zählen in China wenig – erst recht nicht, wenn es um die Gesundheit geht. So machen die chinesischen Bürger bereitwillig mit. Wer die Quarantänebestimmungen bricht, dem drohen teils drakonische Strafen.

Mit Apps gegen das Virus

Auch in Österreich wird die Idee verfolgt, mit Apps gegen das Virus vorzugehen: Am vergangenen Mittwoch startete das Rote Kreuz die App "Stopp Corona". Nutzer können sich mit Personen, mit denen sie in Kontakt stehen, verbinden. Falls jemand Symptome entwickelt oder positiv getestet wird, erhält man eine Benachrichtigung.

Am besten vergleichbar mit dem Rest Europas sind die Instrumente, die die israelische Regierung anwendet – denn anders als in China wird keine flächendeckende Überwachung mit Kameras und automatisierter Gesichtserkennung eingesetzt. Israel prüft die Bewegungen von Bürgern via Funkzellenabfragen.

Das Handy verbindet sich mit Funkzellen, um Signale zu übertragen, und erlaubt es damit auch, den Standort zu ermitteln. Da dies noch nicht besonders genau ist, werden zusätzlich Daten, etwa Banktransaktionen, genutzt, die ebenso den Standort zu einem bestimmten Zeitpunkt verraten. Außerdem werden infizierte Nutzer von Behörden zu ihren Aufenthaltsorten befragt.

Die Antworten werden mit den vorhandenen Informationen abgeglichen, um ein möglichst genaues Bild zu zeichnen. Die Standorte können dann auf der Webseite des israelischen Gesundheitsministeriums eingesehen werden. Personen, die laut den Daten in Kontakt mit Infizierten standen, werden benachrichtigt. Diese Maßnahmen sind freilich auch innerhalb der israelischen Bevölkerung sehr umstritten.

Frage der Grundrechte in Österreich

Wäre der israelische Weg auch in Österreich möglich? Aus mehreren Gründen nicht, befindet Iwona Laub von der Grundrechts-NGO Epicenter Works. Reine Standortdaten aus Funkzellenabfragen seien sinnlos, denn: "Diese Daten sind geografisch nicht so verdichtet, dass man nachvollziehen könnte, wer tatsächlich mit wem im Kontakt gestanden ist.

Zum ,contact tracing‘ sind sie nicht geeignet", sagt Laub zum STANDARD. Um Bewegungen mit der Nutzung eines Verkehrsmittels in Verbindung zu bringen, müssten Daten mit Fahrplaninformationen abgeglichen werden. Das verstoße gegen die E-Privacy-Richtlinie der EU.

Auch gebe es Einschränkungen durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Die Abfrage von Daten (wie etwa über Funkzellen) zusammen mit der Verknüpfung von Infos (wie Banktransaktionen), um den Gesundheitszustand einer Person zu prognostizieren, sei illegales Profiling. "Jedes Gesetz muss auch weiterhin grundrechtskonform sein", sagt Laub. Zwar sei aktuell die Frage der Verhältnismäßigkeit anders zu bewerten als sonst.

Dennoch müssten Einschränkungen der Grundrechte immer in Bezug auf ihren Nutzen bedacht werden. Diese Grundsätze, glauben Datenschützer, werde die Regierung in jedem Fall beachten müssen. (Muzayen Al-Youssef, Philipp Mattheis, 28.3.2020)