Im Gastkommentar erklärt Kommunikationstrainerin Jenny Simanowitz, wie viel Kraft im Humor liegt – und warum auch Humor in Zeiten von Corona wichtig ist.

Ein SS-Mann sagt zu einem Juden im KZ: "Du sollst heute umgebracht werden, aber ich gebe dir eine Chance. Ich habe ein Glasauge; wenn du erkennst, welches es ist, dann schenke ich dir dein Leben." Der Jude schaut den SS-Mann an und sagt: "Das linke, Herr Rottenführer." – "Woran hast du das erkannt?" – "Weil es so menschlich blickt."

Für jene, die nicht mit dem Nationalsozialismus sympathisierten, bedeutete das Erzählen solcher Witze ein Stückchen Widerstand, ein Ventil für aufgestaute Erbitterung. Denn der Witz kann die Tricks und die Brutalität der Mächtigen entblößen und überlebt unter den schlimmsten Bedingungen. Es ist kein Zufall, dass Diktaturen und autoritäre Regierungen als Erstes ihre Komiker verfolgen. Denn sie kennen die Kraft des Humors als Mittel, um Protest hervorzurufen und das System zu untergraben. So verurteilte das Volksgericht am 28. Juli 1944 den katholischen Geistlichen Josef Müller zum Tode, weil er folgenden Witz verbreitet hatte:

Ein verwundeter Soldat hat als Sterbender gebeten, die noch einmal zu sehen, für die er sterben müsse. Als man daraufhin das Bild des Führers rechts und das Bild des Reichsmarschalls (Göring) links neben ihn stellte, hat er gesagt: "Jetzt sterbe ich wie Christus, zwischen zwei Verbrechern."

Also, was hat Humor mit Resilienz zu tun?

Wir wissen, dass Lachen sowohl physisch als auch emotional unsere Gesundheit fördert. Lachen führt zu Erheiterung. Die kleinen, aber heftigen Atembewegungen lockern das Zwerchfell und seine Muskeln auf und regen den Gasaustausch in der Lunge an. Herzhaftes Lachen wirkt sich auf das neurovegetative System aus, welches das gesamte Herz-Kreislauf-System aktiviert.

Da haben Sie es also – lachen Sie mehr, leben Sie länger!

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Humor in Zeiten von Corona? Ja, unbedingt!
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Lachen ist auch die Grundlage für die Arbeit der "Clowndoctors", die für Kinder in Krankenhäusern arbeiten, die schwer oder manchmal todkrank sind. Abgesehen davon, dass die kleinen Patienten vergnügt sind, ist es möglich, dass das Clowning sogar dazu beiträgt, ihr Leben zu verlängern.

Innere Distanz

Ich war fast zu Tränen gerührt durch die Beschreibung von Victor Frankl, wie er einem anderen Auschwitz-Häftling vorschlug, jeden Tag mindestens eine erheiternde Geschichte über etwas zu erzählen, das nach ihrer Befreiung geschehen könnte.

Eine Analyse, wie Humor in unerträglichen Situationen wie in Konzentrationslagern, unter totalitären Regimen, aber auch bei einer schweren Krankheit eingesetzt wird, zeigt, wie er zur Linderung von Leiden und zum Aufbau von Widerstand verwendet werden kann. Er kann Stress abbauen und uns helfen, damit umzugehen, indem er uns eine andere Perspektive auf die Situation bietet. Auch hier sei Frankl zitiert:

"Es gibt kaum etwas im menschlichen Dasein, das dem Menschen so sehr und in einem solchen Ausmaß ermöglichte, Distanz zu gewinnen, wie der Humor."

Wir lernen, die Dinge aus einer inneren Distanz heraus und somit aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, und schaffen dadurch die Möglichkeit, neue, uns bislang unbekannte Lösungswege zu gehen. Humor ist demzufolge eine Bewältigungsstrategie. Wer seinen Humor trainiert, fördert damit auch die Resilienz, also die psychische Widerstandskraft.

"We shall overcome"-Hoffnung

Denn Resilienz hat viel mit Hoffnung zu tun. Nicht mit einer unrealistischen Hoffnung, sondern mit einer Art "We shall overcome"-Hoffnung. Humor schafft auch ein Gefühl der Solidarität. Wir sind nicht allein in dieser verrückten Welt. Andere Menschen machen auch das durch, was wir durchmachen. Tausende jüdische Witze, die an sich eine "Benchmark" für die Funktion des Humors im Gefolge des Leidens darstellen, haben als eines ihrer Hauptziele die gegenseitige Unterstützung.

Bei Humor geht es oft darum, dem Feind "ins Gesicht zu lachen". Der Feind kann eine Person sein, eine Regierung oder einfach nur das Schicksal. Wer oder was auch immer der Feind ist, wir werden die Ungerechtigkeiten nicht ohne Kampf ertragen. Vielleicht sind wir zu schwach, um uns auf physischer oder gesellschaftlicher Ebene zu wehren. Aber wir können ihn trotzdem konfrontieren – mit Humor! Ein leuchtendes Beispiel dafür sind natürlich die legendären Filme von Charlie Chaplin. Der kleine Mann wehrt sich!

Kathartische Wirkung

Auch die alten Griechen nahmen ihren Humor sehr ernst. Ihre Comic-Dramatiker wie Aristophanes wurden nicht weniger respektiert als die Dramatiker, die Tragödien schrieben. Es waren auch die Griechen, die den Begriff "Katharsis" geprägt haben – Reinigung durch Mitleid und Angst. Die Komödien stellen dieses Mitleid und diese Angst auf den Kopf. Wir reinigen uns, indem wir unsere negativen Emotionen mit Witzen, Satiren und Parodien konfrontieren. Auch wenn wir die negativen Gefühle nicht loswerden, schaffen wir einen Ausdruck für sie – und das wirkt kathartisch.

Ich schreibe dies in der Zeit des Corona-Virus, das, wie Angela Merkel es ausdrückt, die größte Herausforderung für unsere Gesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg darstellt. Das Ergebnis und die Auswirkungen auf unser Leben, unsere Wirtschaft und unsere Gesundheit sind noch nicht klar. Klar ist, dass bereits viele Corona-Witze im Umlauf sind. Wie immer sind einige witzig und geistreich, andere dumm oder oberflächlich. Es wird noch viel mehr geben. Später, wir wissen noch nicht wann, werden die Kabarettistinnen und Kabarettisten einen Höhenflug mit dem Thema erleben und das Publikum wird sich vor Lachen in den Gängen rollen.

Das ist die Natur von uns Menschen, selbst in den bedrohlichsten Situationen zu lachen.

Es ist eines der Dinge, die uns menschlich machen. Und das hilft uns zu überleben. (Jenny Simanowitz, 28.3.2020)