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Bei aller Erhabenheit auch ein Symbol überraschender Katastrophen.

Wäre Gralsritter Lohengrin ein Australier, er würde bei Wagner auf einem Schwarzen Schwan einherfliegen, um Fräulein Elsas Ehre zu verteidigen. Ebendort, im Lande der Kängurus, liegt ja das ursprüngliche Revier der dunklen Flatterschönheit, die unter den Mitgliedern der Entenfamilie nicht nur den längsten Hals streckt. Auch die Stimme wirkt imposanterer als bei anderen Vertretern der Schwanfamily.

Es wundert also nicht, dass die Schwarzschwäne einander lautstark grüßen. Angeblich schweben sie auch gerne in die Seemitte, wo sie ihren Hals aufs Wasser legen, um zu "trompeten". Damit würden sie allerdings auch ihren Unmut kundtun, dies fand die Wissenschaft heraus, die lange Zeit am Glauben festhielt, es gäbe nur schneeweiße Seebewohner.

Spät enteckt

Dann allerdings begab es sich 1697, dass der niederländische Seefahrer und Entdecker Willem de Vlamingh in Australien tatsächlich Schwarze Schwäne flattern sah. Und so fand der dunkle Entenvogel nicht nur Eingang in die Zoologie. Er wurde auch Teil des Sprachalltags, wenn es darum ging, ein extrem unwahrscheinliches, aber mögliches Ereignis zu beschreiben. Der Schwarze Schwan, auch Cygnus atratus, ist seit damals mannigfaltig in Erscheinung getreten.

Selbst auf dem Gebiet der Wissenschaftstheorie bemühte ihn etwa der Philosoph Sir Karl Popper. Er definierte redliche Wissenschaft als jene, die Thesen nicht zu verifizieren, sondern zu falsifizieren trachte. Also eine, die etwa zur Überprüfung des Satzes "Alle Schwäne sind weiß" nicht weiße, sondern jenen einen schwarzen sucht, der obige These widerlegt.

Auch gefürchtet

Abseits akademischer Dispute ist der dunkle Schwan eher gefürchtet. An der Börse löst er Crashs aus und wurde durch die Publikation des Börsenhändlers Nassim Nicholas Taleb zu einer etablierten Idee. Der Schwan pulverisiert Zukunftsprognosen und Risikomodelle, bringt Systeme zum Schwitzen, indem er ihre Grenzen austestet.

Wer jetzt an den Coronavirus denkt, erkennt in ihm hellsichtig den aktuellen Schwarzen Schwan, dem andere Katastrophen (9/11 und die Finanzkrise 2008) vorausgingen. Wer hätte schließlich noch vor kurzem gedacht, dass das globale Dorf gegen eine Epidemie kämpfen wird, indem es das soziale und wirtschaftliche Leben in den Tiefschlaf versetzt? Eben.

Dass der Trauerschwan schwarz ist, verleiht ihm – ob der Virusopfer – auch zusätzlich eine erschreckend stimmige und sehr düstere Symbolik. (Ljubisa Tosic,28.3.2020)