Es gibt Länder, die sind aufgrund ihrer gesellschaftlichen Strukturen, ihrer Geschichte und Mentalität besser oder schlechter für den Kampf gegen das Coronavirus gerüstet. Aber eines hat man in den vergangenen Wochen auch gesehen: Es ist nicht egal, wer an der Spitze des Staates steht. Selten zuvor haben die Persönlichkeit und Kompetenz von Spitzenpolitikern eine so entscheidende Rolle für das Wohl der Bürger gespielt.

In dieser Hinsicht kann sich Österreich glücklich schätzen. In normalen Zeiten taugt Sebastian Kurz nicht immer zum Staatsmann, aber in Krisen wächst er über sich hinaus. Da fällt er weitsichtige Entscheidungen und hat die Gabe, diese auch verständlich zu machen. Und anders als sonst hört er auf Experten. Dass er mit dem grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober eine starke Stimme der Vernunft an seiner Seite hat, gibt etwas Hoffnung.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).
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In Italien hat sich Ministerpräsident Giuseppe Conte nach einem Spätstart mit katastrophalen Folgen als hervorragender Krisenmanager bewährt, der vielleicht doch noch das Schlimmste verhindern kann. Man stelle sich nur vor, dass Silvio Berlusconi oder Matteo Salvini das Land nun regieren würde. Auch Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zählt zu jenen Entscheidungsträgern, die gerade noch rechtzeitig den Ernst der Lage erkannt und entschlossen gehandelt haben.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hingegen ist ihrem üblichen Verhaltensmuster gefolgt. Sie hat angesichts der Differenzen in ihrer Partei zunächst abgewartet, vermittelt und Kompromisse gesucht. Das hat das Land möglicherweise wertvolle Zeit gekostet.

Willkür und Leid

Einige Regierungschefs mit bekannt autoritären Zügen haben zwar rasch und überlegt reagiert, aber die Krise auch für den eigenen innenpolitischen Vorteil genutzt. Dazu zählen Ungarns Premier Viktor Orbán mit seinen Plänen für ein Ermächtigungsgesetz und der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu, dem das Coronavirus sein Amt erneut gerettet hat. Auch der indische Premier Narendra Modi bleibt sich selbst treu: Seine Ausgangssperre für 1,3 Milliarden Inder wirkt entschlossen, ist aber wahrscheinlich undurchführbar, weil Millionen kein Zuhause haben oder verhungern müssten, wenn sie nicht zur Arbeit gingen. Diese Politik droht in Willkür und Leid zu münden und ihr Ziel zu verfehlen.

Und dann gibt es die populistischen Rattenfänger, die auf Experten pfeifen und lieber ihren Instinkten folgen. Das mag ihnen allzu oft zu Wahlsiegen verhelfen, erweist sich aber als völlig ungeeignet im Kampf gegen eine Pandemie. Der britische Premier Boris Johnson hat das Virus so lange kleingeredet, bis es ihn selbst erwischt hat – und sein Land nun unvorbereitet in die große Infektionswelle geht. Dass die USA heute die höchste Zahl an Corona-Infektionen in der Welt aufweisen und die Pandemie dort wohl erst am Anfang steht, dafür trägt US-Präsident Donald Trump mit vielen Fehlentscheidungen persönliche Verantwortung. Und in Brasilien ist Jair Bolsonaro der weltweit letzte Staatschef, der die Corona-Gefahr völlig ignoriert.

Kaum eine Regierung hat rechtzeitig auf das Virus reagiert, und niemand hat ein Patentrezept gegen die Ausbreitung. Aber ob die Krankheit am Ende hunderte, tausende oder gar Millionen Tote kosten wird, hängt dieser Tage auch von der Qualität der politischen Führung ab. Man kann nur hoffen, dass Wähler diese Lektion aus dieser furchtbaren Krise mitnehmen. (Eric Frey, 27.3.2020)