Die Hausärztin der kleinen steirischen Gemeinde St. Bartholomä hat sich mit dem Virus infiziert. Das hat den Ort nachhaltig verändert.

Foto: Gemeinde St. Bartholomä

Es ist auch in St. Bartholomä passiert, und es hat gleich den Nerv der Gemeinde, das Zentrum der medizinischen Versorgung, getroffen. Die Hausärztin des kleinen steirischen Agrarortes hat sich mit dem Virus infiziert. Wie viele Bewohner in dem 20 Kilometer westlich von Graz liegenden St. Bartholomä jetzt tatsächlich infiziert sind, weiß auch der Bürgermeister nicht. "Wir bekommen da keine Informationen, die Leute sind natürlich verunsichert, niemand weiß, wie viele sich angesteckt haben", sagt Bürgermeister Josef Birnstingl. Aber: Das Virus habe die Gemeinde irgendwie auch zusammengeschweißt.

"Es gibt jetzt einen phänomenalen Zusammenhalt, so viele, die freiwillig irgendwie helfen wollen", sagt Birnstingl. Am Freitag wurde erstmals für Betreuungsbedürftige aufgekocht. Der Kirchenwirt hat das übernommen: Frittatensuppe, Zanderfilet mit Gemüse und Apfelstrudel. Die Gemeinde übernimmt vorerst die Kosten, "Später werden wir das mit den Leuten gegenrechnen", sagt Birnstingl. So genau werde man es aber nachher nicht nehmen.

Parallel mit der Essenszustellung organisiere die Gemeinde etwa auch Lebensmittellieferungen. Ein Anruf genügt, Gemeindebedienstete stellen zu.

Das Virus habe bei vielen einen Umdenkprozess angestoßen. "Ich bin ja Nebenerwerbsbauer, und viele sehen jetzt, wie wichtig bäuerliche Familienbetriebe sind. Ich merke in den Gesprächen, dass die Leute jetzt nachzudenken beginnen, wo die Sachen herkommen."

Verhängnisvolles Begräbnis

Ortswechsel nach Lebring, 30 Kilometer südlich, im "Speckgürtel" von Graz. Bürgermeister Franz Labugger hatte sich in Selbstisolation begeben. Auch er war beim verhängnisvollen Begräbnis.

Man erzählt sich in Lebring, es sei ein Cousin des Verstorbenen gewesen, der zuvor in Ischgl auf Skiurlaub war. Jedenfalls steckten sich während des Begräbnisses zahlreiche Lebringer an. Mittlerweile kommt die Hälfte der Corona-Fälle des Bezirkes Leibnitz aus Lebring. So ganz genau weiß es aber auch der Lebringer Bürgermeister nicht. "Wir kriegen keine Zahlen und wissen nicht, wie viele in Quarantäne sind. Die Geheimnistuerei wundert mich schon", sagt Labugger.

Die anfängliche Angst im Ort habe sich mittlerweile einigermaßen gelegt. "Wir haben angefangen, mit dem Virus zu leben. Man denkt jetzt auch viel nach. Ich war es ja gewohnt, als Bürgermeister dauernd unterwegs zu sein, 100 Ehrungen im Jahr und so. Jetzt muss ich mich total umstellen. In der Entschleunigung bleibt jetzt Zeit innezuhalten. Muss alles immer mehr sein? Brauchen wir diese Hektik wirklich?", fragt der Bürgermeister. Gedanken, die er "mit vielen im Ort, mit denen ich jetzt lang telefoniere", teile.

Wie sein Amtskollege in St. Bartholomä ist auch Labugger "fest überzeugt, dass viele Menschen jetzt umdenken. Sie entdecken den Wert der Regionalität."

Unmut in Nachbargemeinde

Indessen sieht sich der Lebringer Bürgermeister aber mit aufkommendem Unmut in Nachbargemeinden konfrontiert. Der Wildoner Gemeinderat Josef Hirschmann verlangt in der Kleinen Zeitung, dass Lebring unter Quarantäne gestellt werden müsse: "Ich wohne in unmittelbarer Nachbarschaft zu Lebring und zähle mit 73 Jahren zur Risikogruppe. Ich fühle mich wie viele Wildoner nicht genug geschützt." (Walter Müller, 28.3.2020)