Kontrollen an Österreichs Grenzen: Menschen in Gesundheits- und Pflegeberufen sind von den strengen Regeln ausgenommen.

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Gerhard B. läuft die Zeit davon. Vier Wochen lang hat sich eine slowakische Betreuerin rund um die Uhr um seinen Vater gekümmert, doppelt so lange wie vorgesehen, doch jetzt will sie nach Hause. Eine Ablöse steht in der Slowakei parat – sofern sie es in den Wirren der Corona-Krise nach Österreich schafft. Man habe ihm gesagt, die Frau müsse für die Einreise nach Österreich ein Gesundheitszeugnis vorlegen, erzählt B.: "Ich würde den Covid-19-Test ja sofort zahlen, aber in der Slowakei ist keiner verfügbar."

Vielen anderen Familien, die hierzulande die geförderte 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nehmen, geht es ähnlich. Üblicherweise wechseln sich die Pflegerinnen, die fast durchwegs aus Osteuropa kommen, im zwei- bis vierwöchigen Rhythmus ab, doch aktuelle Reisebeschränkungen drohen den Austausch vielfach zu blockieren. Der Peak des Engpasses wird rund um Ostern erwartet, viele Frauen werden dann schon seit sechs Wochen 24 Stunden am Tag im Dienst sein.

Manche versuchen sich nun auf eigene Faust zu helfen, andere hoffen auf konzertierte Aktionen. Niederösterreichs Landesregierung will gemeinsam mit der Wirtschaftskammer 250 Pflegerinnen aus Rumänien und Bulgarien einfliegen. Am Montag sollen die Frauen in Wien landen.

"Nicht so heiß gegessen"

Sind den ersehnten Fachkräften also ringsum die Wege versperrt? So düster ist das Bild nicht. Zwar haben alle Staaten der Region den Grenzverkehr wegen des Coronavirus mehr oder minder eingeschränkt, "doch das wird nicht immer so heiß gegessen", sagt Gerald Hesztera, Sprecher des Innenministeriums. Die Bedingungen können sich rasch ändern; doch besonders für Menschen, die in Gesundheits- und Pflegeberufen arbeiten, haben derzeit sowohl Österreich als auch die Nachbarländer Ausnahmen festgelegt. Prinzip auf heimischer Seite: Die Republik verlangt von Einreisenden aus den meisten Anrainerstaaten zwar grundsätzlich ein maximal vier Tage altes Gesundheitsattest, nimmt Berufspendler aber dezidiert aus.

Slowakische Pflegerinnen, die hierzulande ein Drittel der 24-Stunden-Betreuerinnen stellen, dürfen beispielsweise nach Österreich einpendeln – womit entgegen kolportierten Informationen auch die Ablöse für die Familie B. möglich sein sollte. Restriktionen könnten einem Teil allerdings bei der Rückkehr drohen: Laut Wirtschaftskammer sind nur jene Pflegekräfte von der Pflicht einer 14-tägigen Heimquarantäne in der Slowakei befreit, die im (nicht näher definierten) Grenzgebiet gearbeitet haben.

Ähnliches gilt laut Innenministerium und Info der Wirtschaftskammer mit Stand von Freitag für tschechische Bürger, was weniger für die 24-Stunden-Pflege als für die Spitäler im Norden Österreichs relevant ist: Wer in der Gesundheits- oder Pflegebranche arbeitet, ist vom prinzipiellen Ausreiseverbot ebenso ausgenommen wie von Quarantänepflichten nach der Rückkehr. Auch Pendlern aus Slowenien (bei verschärften Grenzkontrollen), Kroatien und Ungarn steht der Weg nach Österreich offen. Auf Bürger aus letzterem Land wartet nach der Heimreise allerdings die 14-tägige Quarantäne in den eigenen vier Wänden.

Angst vor dem Kollaps

Wenn es ohnehin Ausnahmen gibt: Warum geht dann die Angst vor dem Kollaps der Altenbetreuung um? Die Sorgenkinder sind die Rumäninnen. Weil Ungarn die Grenzen für Ausländer gesperrt hat, ist ihnen die Durchreise nach Österreich verwehrt. Zwar öffnet täglich zwischen 21 Uhr und fünf Uhr früh ein "humanitärer Korridor" für den Transit, doch der steht nur Heimreisenden Richtung Osten offen. Was die Lage so prekär macht: Von keiner anderen Gruppe ist das System der 24-Stunden-Betreuung derart abhängig. Fast jede zweite Pflegerin kommt aus Rumänien.

Bleibt nur der Luftweg, an dessen Ende aber strenge Einreisebedingungen stehen: Wer mit dem Flugzeug in Österreich landet, hat unverzüglich eine 14-tägige "selbstüberwachte" Heimquarantäne anzutreten. Die zwei Flugzeuge, die am Montag gegen Mittag aus Sofia und Temeswar in Wien landen sollen, sind eigentlich Heimkehrerflieger für österreichische Staatsbürger in Rumänien und Bulgarien. Nun werden die Sitze mit Betreuerinnen aufgefüllt – laut Wirtschaftskammer Niederösterreich sind nur noch wenige Plätze in dem Flugzeug aus Sofia frei.

Das Land Niederösterreich übernimmt die Kosten für den Flug, allerdings nur für jene, die auch tatsächlich dort eingesetzt werden – 50.000 Euro nimmt man dafür in die Hand. Die Kosten für die Quarantäne in einem Hotel in Schwechat – etwa 20 Euro pro Betreuerin und Tag, – , übernehmen die Wirtschaftskammern Niederösterreich und Wien – auch sie zahlen nur für die eigenen Betreuungskräfte. Für alle anderen Betreuerinnen sollen, so heißt es von Robert Pozdena, Fachgruppenobmann der Wirtschaftskammer Niederösterreich, sollen die Agenturen aufkommen, 90 Euro kostet ein Platz im Flieger.

Innerhalb der Betreuungsbranche herrscht allerdings Unsicherheit, ob diese die Kosten nicht erst recht auf die Frauen abwälzen, die nun eingeflogen werden. Schon jetzt machen Gerüchte die Runde, dass Agenturen den Betreuerinnen die Hotelkosten in Rechnung stellen. Auch die Zeit, die die Frauen in Quarantäne verbringen, bevor sie ihren Turnus antreten, wird ihnen nicht bezahlt. Dennoch werden die Dienste wohl länger als gewohnt ausfallen, bis zu sechs Wochen soll ein Turnus nun dauern. Ziel wäre jedoch laut Wirtschaftskammer, regelmäßige Charterflüge einzurichten. Und ein Zugang zu Tests: Weil Betreuerinnen nicht als systemrelevant anerkannt werden, so Pozdena, könne man sie aktuell nicht testen – und ihnen dadurch zumindest die Quarantäne ersparen. (Gerald John, Gabriele Scherndl, 29.3.2020)