Zwanzig Minuten braucht es für eine Gesichtsmaske in Schalenform, zehn Minuten für das gefaltete Modell. Normalerweise rattern in Michaela Hudecova Königshofers offener Werkstatt "Schnitt bogen" mehrere Nähmaschinen. Jetzt sitzt in den Räumlichkeiten unter den Bögen der Wiener U6 nur noch eine Mitarbeiterin. Statt Kleidern werden hier neuerdings simple Textilmasken genäht.

Hudecova Königshofer selbst ist längst ins Homeoffice umgezogen. Von dort hält sie Kontakt zu der Designerin Stephka Klaura vom Label Fabric Fabrik. Die beiden Frauen haben sich für die Produktion der Baumwollmasken zusammengetan. "Wir Kreativen sitzen jetzt alle da, haben unsere Werkstätten und wollen was machen", meint Klaura. Deshalb habe man sich überlegt, wie man die Räumlichkeiten und Maschinen anders nutzen könne. Viele kleine Betriebe müssten gerade erfinderisch werden, weil ihnen die Einnahmen wegbrechen, erklärt die gebürtige Salzburgerin.

Passen sogar zum Pyjama: die Masken der Designerin Stephka Klaura.
Foto: Fabric Fabrik

Und so satteln kleine lokale Modelabels – wie zuvor schon die Luxushäuser Prada, Balenciaga oder die Vorarlberger Textilunternehmen – auf die Produktion von Masken und Schutzbekleidung um. Die Designerin und Siebdruckerin Klaura, die aus ihren handbedruckten Stoffen normalerweise Kissen, Taschen und Pyjamas fertigt, lässt nun aus Pyjama-Reststoffen Masken nähen. Rund 150 Stück sind so bereits entstanden. Die beiden Modelle aus zweilagig vernähtem, gemustertem Baumwollsatin und den kochfesten Gummis dürfe man aber nicht mit medizinischen Modellen verwechseln – darauf will und muss Klaura hinweisen. Die bunten Baumwollteile dienen als Spuckschutz, mit dem vor allem das Gegenüber geschützt wird.

Diese Botschaft versucht die Siebdruckerin auch auf Instagram zu vermitteln. Die Bilder, die sie von den Masken auf dem Profil ihres Labels postet, versieht sie mit Hashtags wie #Fremdschutz und #Friendschutz. Verkauft werden die bunt bedruckten Modelle für neun und 15 Euro, gedeckt werden damit die Material- und Produktionskosten, Anfragen nimmt die Designerin bislang über Instagram und via E-Mail entgegen. Mit den Masken werde "das Unsichtbare sichtbar" und die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert, so Hudecova Königshofer

Masken aus Baumwollpopelin

Auch die in Wien lebende Künstlerin und Designerin Anna Schwarz ist der Meinung: Mit einer Maske schütze ich in erster Linie die anderen. Sie hat in den vergangenen Wochen auf dem Messaging-Dienst Slack Infos, Statistiken und Zeitungsartikel zur Maskenthematik zusammengestellt, sich mit Designerinnen aus Paris, Los Angeles oder Prag vernetzt und mithilfe einiger Textilfirmen aus Vorarlberg aus Stoffen wie Baumwollpopelin, Vlies und Naturleinen erste Prototypen produziert.

Die Künstlerin Anna Schwarz mit ihrer selbst entworfenen Maske.
Foto: Anna Schwarz

Demnächst soll es die in Kooperation mit dem Wiener Label Ferrari Zoechling entwickelten Masken im Webshop des Modeunternehmens geben, mit einem lokalen Supermarkt ist Schwarz in Verhandlung. Die in Wien lebende Künstlerin bedauert, dass "die Diskussion in Österreich meist um den Selbstschutz kreist. Wenn man öffentlich eine Maske trägt, wird man angeschaut, als sei man infiziert, die Leute halten automatisch mehr Abstand." Dabei solle die Erhöhung des Fremdschutzes im Fokus stehen. In anderen Ländern sei man da weiter, so die Künstlerin, die während eines Stipendiums für drei Monate in China gelebt hat: "In Hongkong betritt niemand ein öffentliches Verkehrsmittel oder einen geschlossenen Raum ohne Maske."

Der in Vietnam geborene Modedesigner La Hong, der sonst große Roben für die Wiener Society entwirft, geht die Sache pragmatisch an. Er hat sein Programm kurzerhand umgeworfen und sich hinter die Nähmaschine gesetzt, um aus Reststoffen Masken zu produzieren. Für medizinische Zwecke seien sie natürlich nicht verwendbar, aber im Alltag sei dieser Schutz "besser als gar nichts".

Deshalb ruft der in Wien lebende Designer auch dazu auf, Masken in Heimarbeit zu nähen – auf der Videoplattform Youtube werden derzeit täglich neue Anleitungen hochgeladen. Ins Gespräch bringt die Aktion den Designer nebenbei auch. Seit er die mit Rosenmuster überzogenen Modelle auf Facebook und Instagram zeigt, stehe das Telefon nicht still, heißt es im Atelier La Hong: 40 Anrufer am Tag zeigten sich interessiert an den Stücken. Eine erste Lieferung des Designers geht allerdings an das St.-Anna-Kinderspital. Die Institution rechnet mit "hundert Masken plus". Während die Mitarbeiter bei der Betreuung von Patienten sich mit medizinischen FFP2-Masken schützten, sollen die La-Hong-Modelle dann zum Einsatz kommen, wenn die Spitalsangestellten "mit einander reden, diskutieren oder einander, selbstverständlich unter den Vorgaben des Social Distancing, beraten", so das Spital.

Womöglich etabliert Corona die Maske auch in Österreich im öffentlichen Raum. Anna Schwarz ist jedenfalls überzeugt: "Wenn die Quarantäne vorbei ist, wird es eine große Nachfrage geben." (Anne Feldkamp, 30.3.2020)

Erica Arndt

Websites und Shops:

FabricFabrik

Ferrari Zoechling

La Hong