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PRO: Zeit für echte Solidarität

von András Szigetvari

Die Läden sind zu, Fabriken stehen still, Touristen kommen nicht mehr, hunderttausende Jobs sind weg: Die Corona-Pandemie hat sich tief in das Wirtschaftsleben hineingefressen. Deutschland und Österreich haben dank des Staates die finanziellen Mittel, um einen Teil der Kosten abzufangen. Das wird es ermöglichen, dass unsere Wirtschaft zwar vielleicht erst in einiger Zeit, dann aber rasch zu Kräften kommt. Für einige Länder in der Eurozone, die schon unter der Weltwirtschaftskrise enorm gelitten haben, gilt das nicht.

Italien ist so ein Fall. Die Krise wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Ausgaben erfordern, als die Regierung in Rom verkraften kann. Das kann auch Griechenland und Spanien passieren. Die Euroländer müssen daher jetzt vereinbaren, die Kosten für diese Krise gemeinsam zu tragen.

Derzeit verschulden sich alle Euroländer allein. Angeschlagene Staaten wie Italien tragen also eine extrem schwere Last. Das ließe sich aber ändern. Wenn die rechtliche Umsetzung etwas Zeit braucht, macht es nichts: Es ist ja schon absehbar, dass es langfristig Milliarden kosten wird, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Und da braucht es echte Lastenteilung, damit auch Italiens Wirtschaft sich rasch erholt. Was viele Kritiker solcher Ideen nie verstanden haben: Das hilft allen in der Eurozone, auch Österreich. Wer soll Maschinen, Autos und Motoren made in Austria kaufen, wenn halb Europa in Armut versinkt?

KONTRA: Die Instrumente gibt es schon

von Eric Frey

Die Hilferufe aus Rom sind berechtigt: Nach der Gesundheits- und Wirtschaftskrise droht Italien der finanzielle Kollaps. Aber die von der Regierung Conte mit Unterstützung aus Spanien, Frankreich und einigen anderen EU-Staaten geforderten Corona-Bonds, also Anleihen, mit denen alle Eurostaaten gemeinsam Schulden aufnehmen, sind der falsche Weg.

Denn Italien braucht die Hilfe rasch, und eine Vergemeinschaftung der Schulden setzt eine langwierige Änderung der EU-Verträge voraus. Und eine Schuldenunion, wie sie viele seit Beginn der Griechenlandkrise fordern, kann nur funktionieren, wenn viel tiefer in die nationale Souveränität eingegriffen wird. Dafür braucht es eine echte Wirtschafts- und Fiskalunion, in der eine EU-Regierung die Budgetpolitik der einzelnen Staaten kontrolliert. Sonst besteht die Gefahr, dass sich einzelne Staaten im Wissen, dass andere die Last tragen, noch stärker verschulden. Das ist für Staaten wie Deutschland und Österreich zu Recht inakzeptabel, und für die Schaffung eines europäischen Bundesstaats fehlt die Bereitschaft überall.

Zum Glück hat die EU bereits die Instrumente, um Italien zu helfen: den Eurorettungsschirm ESM und die Bereitschaft der Europäischen Zentralbank, unter ihrem OMT-Programm unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu kaufen. All das lässt sich sofort einsetzen. Italien soll jede Hilfe bekommen, die es braucht – aber mit sinnvollen Mitteln.