Die Situation rund um das Coronavirus befeuert die Diskussion über Smartphone-Tracking.

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Die Nutzung von Big Data im Kampf gegen das Coronavirus ist laut dem Datenschutzexperten Viktor Mayer-Schönberger zulässig. "Die Datenschutzgrundverordnung, die in Österreich und in der gesamten Europäischen Union gilt, sagt ganz klar: Gesundheit geht vor, Leben retten ist wichtiger als Datenschutz hochhalten", sagte der Experte im Ö1-"Morgenjournal" am Montag.

Einschätzungen

Der österreichische Rechtswissenschafter und Datenschutzexperte am Oxford Internet Institute erklärte, dass die Frage "ganz sachlich und differenziert" betrachtet werden müsse: Es handle sich um eine Ausnahmesituation. "Jetzt muss der Datenschutz ein wenig zurücktreten." Wichtig sei, dass nach dem Ende der Corona-Krise alle Daten wieder gelöscht werden. Das seien "Maßnahmen im Katastrophenfall. Man verwendet sie nur im Katastrophenfall und nicht, wenn der Katastrophenfall wieder vorbei ist."

Zahlreiche Länder setzen auf neue Technologien im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. Die chinesischen Technologieriesen Alibaba und Tencent etwa haben Handy-Anwendungen entwickelt, die auf Basis von Bewegungs- und Interaktionsprofilen das Risiko einer Infizierung mit dem Virus bewerten und farblich darstellen. In mehreren Städten müssen sich Menschen mittlerweile mit dieser App nach dem Ampelprinzip "ausweisen", um etwa die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen zu dürfen. Auch Taiwan, Südkorea, Singapur und Hongkong kontrollieren die Bewegungsprofile der Handynutzer und ob sich Menschen in Quarantäne an die Auflagen halten. In Israel ist es dem Inlandsgeheimdienst Shin Bet erlaubt, alle Bewegungsdaten sämtlicher Handynutzer auszuwerten.

Big Data

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte die Nutzung von Big Data angedeutet. Die Opposition reagierte alarmiert. SPÖ, FPÖ und Neos fürchten Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hatte in Interviews versichert, dass keine "individuelle Überwachung" von Bürgern angedacht sei.

SPÖ will Ausschuss

Der Vorsitzende des Verfassungsausschusses im Parlament, Jörg Leichtfried (SPÖ), forderte hingegen gleich eine Ausschusssitzung unter Beisitzung von Verfassungsrechtlern, Datenschutzbehörden und anderen Datenschutzexperten zum Thema "Nutzung von Big Data im Kampf gegen das Coronavirus".

"Eine Krisensituation ist eine schwierige Situation für eine Bundesregierung, die aber nicht dafür verwendet werden darf, überschießende Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte zu legitimieren. Vor allem nicht ohne die Expertise der Mitglieder des Verfassungsausschusses, Verfassungsrechtlern und Datenschutzbehörden", sagte Leichtfried gegenüber der APA. Als Ausschussvorsitzender werde er diesbezüglich Gespräche mit allen Parlamentsfraktionen aufnehmen.

Kritik

"Die Sorge um die Gesundheit der Bürger darf unabdingbare Grund- und Freiheitsrechte sowie Rechtsstaatlichkeit nicht außer Kraft setzen", warnte Leichtfried und verwies auf "die autoritäre und antidemokratische Wende in Ungarn". Leichtfried sieht Justizministerin Zadić gefordert. "Datenschutz liegt im Justizministerium, die Datenschutzbehörde ebenso", so Leichtfried. "Zadić muss die parteiübergreifenden Bedenken der Parlamentarier ernst nehmen." Zadić hatte in Interviews versichert, dass keine "individuelle Überwachung" von Bürgern angedacht sei. (APA, 30.3.2020)