Ein Vertragsarzt kann die Behandlung bei Corona-Verdachtsfällen unter Umständen ablehnen.

Foto: Elmar Gubisch

Das Coronavirus hat Österreich mit voller Wucht erreicht und zu zahlreichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens geführt. Obwohl die verordneten Beschränkungen den Arztbesuch weiterhin erlauben, empfiehlt das Gesundheitsministerium unter anderem, nicht dringliche Arzttermine aufzuschieben. In der Folge stellt sich die Frage, ob ein Vertragsarzt stets verpflichtet ist, den Patienten zu behandeln – oder die Behandlung des Patienten unter gewissen Umständen ablehnen darf.

Laut Berufsrecht der Ärzte ist ein Arzt nur zur Behandlung verpflichtet, wenn er den Patienten selbst "übernimmt" (Paragraf 49 Ärztegesetz). Auf dieser Grundlage wäre der Arzt grundsätzlich dazu berechtigt, frei zu entscheiden, ob er eine Person behandeln will. Schließt ein Arzt jedoch einen Kassenvertrag ab, wird er zum Vertragsarzt und verpflichtet sich dadurch, alle Anspruchsberechtigten – und somit alle Versicherten – während seiner Ordinationszeiten zu behandeln. Dies steht im Widerspruch zu den derzeit medial aufbereiteten Schließungen von Arztpraxen, wodurch Patienten nicht mehr behandelt werden.

Das Recht zum Ablehnen

Auch dafür sehen Kassenverträge Mechanismen vor. Bei "berechtigten" Fällen räumen Kassenverträge dem Vertragsarzt das Recht ein, die Behandlung von Patienten abzulehnen. Berechtigte Gründe hierfür können die Erkrankung des Vertragsarztes, ein Coronavirus-Verdachtsfall in der Ordination oder die unzureichende Umsetzbarkeit der Einhaltung der geforderten Hygienestandards (zum Beispiel fehlendes Hygienematerial aufgrund von Lieferengpässen) sein. Ein Vertragsarzt, der selbst zur Risikogruppe einer Coronavirus-Erkrankung zählt, könnte Behandlungen ebenfalls ablehnen. Schließlich könnte auch die gezielte Vorbeugung von Infektionen ein berechtigter Ablehnungsgrund sein, insbesondere wenn Behandlungen nicht dringend notwendig sind. In all diesen Fällen kann somit auch der Vertragsarzt die Behandlung von Patienten ablehnen.

Rücktritt vom Behandlungsvertrag

Was ist nun aber, wenn sich ein Patient bereits in Behandlung bei einem Vertragsarzt befindet? Auch in solchen Fällen kann der Vertragsarzt gemäß dem Kassenvertrag unter Beachtung des Paragrafen 50 Ärztegesetz vom Behandlungsvertrag zurücktreten, wenn er dies rechtzeitig bekanntgibt und eine Dringlichkeit der Behandlung nicht gegeben ist. In Zeiten der Coronavirus-Pandemie wird sich der Vertragsarzt unter Umständen sogar auf den sofortigen Behandlungsabbruch berufen können. Wenn aber die Behandlung nicht sofort abgebrochen werden kann, muss sie zumindest bis zu dem Zeitpunkt fortgeführt werden, an dem die Behandlung durch einen anderen Vertragsarzt gesichert ist.

Vorsicht ist dennoch geboten: Behandlungen leichtsinnig abzulehnen ist nicht anzuraten, da dem Patienten Schadenersatzansprüche zustehen können, wenn ihm durch die Ablehnung ein Schaden entstanden ist. Um einen weitgehenden Konsens zwischen Vertragsarzt und Patienten zu finden, sollte der Vertragsarzt daher genau abwägen, welche Behandlung (derzeit) nicht sinnvoll und nicht zumutbar erscheint.

Keine Verweigerung bei Lebensgefahr

Ganz abgesehen von der Möglichkeit der Ablehnung der Behandlung bei berechtigten Fällen bestimmt Paragraf 48 Ärztegesetz, dass die Erste Hilfe bei drohender Lebensgefahr nicht verweigert werden darf. Kommt zum Beispiel ein (Corona-)Patient mit schwerer Atemnot in eine Ordination und es besteht der Verdacht der drohenden Lebensgefahr, muss der Arzt Erste Hilfe leisten.

Diese dem Anschein nach einseitigen oder für den Patienten nachteiligen Möglichkeiten schützen im Endeffekt aber auch den Patienten. Eine Behandlung unter den derzeitig erschwerten Bedingungen birgt auch ein erhöhtes Komplikationsrisiko für den Patienten.

Abschließend darf eine Stellungnahme des Wiener Krankenanstaltenverbundes zur aktuellen Situation nicht unerwähnt bleiben, wonach "der Einsatz der niedergelassenen Ärzte in der gegenwärtigen Pandemie zur Entlastung der Spitäler von unschätzbarer Bedeutung ist. Es sind diese Ärzte, die verängstigte oder minderschwer erkrankte Menschen, die nicht spitalsbedürftig sind, betreuen." Selbst wenn in bestimmten Situationen ein Recht besteht, die Behandlung zu unterlassen, ist es letztlich Aufgabe der Vertragsärzte, ihrem Versorgungsauftrag auch in Zeiten der Coronavirus-Pandemie nachzukommen, was diese aber täglich unter Beweis stellen. (Lukas Bittighofer, 30.3.2020)