Die Polizei kündigte erneut verstärkte Präsenz an. Nur: Was denn eigentlich gestraft werden kann, ist mitunter unklar.

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Selbst innerhalb der Regierung gab es in den vergangenen Tagen zur Auslegung der Coronavirus-Maßnahmen Widersprüche. Was man nun darf und was nicht, ist noch nicht restlos geklärt. Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach in diesem Zusammenhang von "juristischen Spitzfindigkeiten", Teile der Bevölkerung sind hingegen beim Rausgehen verunsichert – zumal die Beschränkungen von der Polizei strikt kontrolliert werden sollen. DER STANDARD hat verschiedene juristische Standpunkte zusammengetragen. Deren Gemeinsamkeit: Viele Appelle der Politik seien moralisch richtig – aber nicht immer rechtlich verbindlich, oder es ist zumindest Auslegungssache.

Der Verfassungsjurist Heinz Mayer kritisiert zudem generell die "Geschwindigkeit und Zögerlichkeit" bei den Gesetzespaketen: Man fürchte sich offenbar vor klarer Sprache. "Je unklarer Bestimmungen sind, desto eher werden sie missverstanden und unrechtmäßig angewandt", sagt er. Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak wiederum betont, die Regierung habe die Verpflichtung, "Menschen, die in Österreich leben, zu schützen, und das hat sie im Vergleich zu anderen Ländern auch gut gemacht".

Doch auch die generelle Verfassungskonformität der Regelungen wird infrage gestellt: Gesetzlich sei das weitreichende Betretungsverbot in Bezug auf den öffentlichen Raum gar nicht gedeckt, meint der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Denn das Gesetz erlaube lediglich die Untersagung der Betretung "bestimmter Orte."

Dem Juristen Georg Eisenberger macht vor allem Sorgen, dass eine Bestimmung im jüngsten Covid-Gesetz dem Gesundheitsminister zu regeln ermöglicht, unter welchen Bedingungen man bestimmte Orte betreten darf. Dies könne etwa dazu führen, dass man nur mit der Stopp-Corona-App des Roten Kreuzes sein Haus verlassen dürfe – ein Schritt, der die Freiwilligkeit ad absurdum führen würde. "Eine solche Ermächtigung geht zu weit", warnt er.

Strittige Dates im Freien

Die Verordnung ist strikt: Das Betreten öffentlicher Orte ist grundsätzlich verboten. Bekanntlich wurden einige Ausnahmen definiert, die es trotzdem erlauben. Eine davon wurde recht allgemein gehalten und sorgt daher für Diskussionen. Sie besagt, dass man ins Freie gehen darf, wenn man dies allein oder mit den Personen aus demselben Haushalt tut. Dabei ist es egal, ob man kurz um den Block geht oder eine kilometerlange Radtour in ein anderes Bundesland unternimmt. Nur Öffis dürfen nicht benutzt werden.

Aber darf man sich auch mit jemandem verabreden, solange man den Sicherheitsabstand wahrt? Das zu argumentieren könnte schwierig werden. Laut dem Verfassungsjuristen Peter Bußjäger wäre es nicht zulässig, da es sich um einen gemeinsamen Aufenthalt im öffentlichen Raum handelte. Auch der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk ist dieser Ansicht: "Dann hatte ich nicht die Absicht, allein ins Freie zu gehen." Etwas anderes wäre es, wenn man jemanden zufällig treffe. Dies zu reglementieren wäre überschießend.

Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak wiederum sieht das Recht auf der Seite der Spaziergänger: Man dürfe sich verabreden und sagen: "Gehen wir spazieren, aber mit Abstand."

Wohnung bleibt privat

Die Diskussion rund um den nun zurückgezogenen Erlass, der Osterfeste verbieten sollte, hat Verunsicherung ausgelöst. Darf man nun jemanden zu sich nach Hause einladen? Grundsätzlich gibt es keine Regelung, die den privaten Bereich betrifft. "Mit einer unverhältnismäßigen Regelung des Grundrechts auf Privat- und Familienleben" wäre laut Nowak "eine rote Linie überschritten".

Die Bundesregierung ist trotzdem der Ansicht, dass gegenseitige Besuche nicht erlaubt sind. Diese Argumentation funktioniert nur indirekt, indem man sich auf geltende Ausgangsbeschränkungen beruft. Man könnte dann anführen, dass es nicht legitim sei, sich zum Zweck eines Besuchs in den öffentlichen Raum zu begeben.

Für Alexandra Kunesch, Universitätsassistentin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, spricht mit Blick auf die Verordnung nichts dagegen, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, um Verwandte oder Bekannte zu besuchen. Bloß öffentliche Verkehrsmittel dürfe man dafür nicht benutzen. "Einem gemeinsamen Osteressen steht damit grundsätzlich nichts im Weg," sagt sie. Verfassungsjurist Funk glaubt hingegen, dass der Weg mit "reiner Besuchsabsicht" nicht zulässig sei. Man könne aber wiederum argumentieren, dass der Besuch ein notwendiges Grundbedürfnis sei.

In jedem Fall bleibt die Frage der Kontrolle: Ohne Grund kann die Polizei nicht Nachschau halten. Falls sie doch anklopft, etwa wegen Lärmbelästigung, sagt Funk: "Niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten."

Was ist ein Haushalt?

Gemeinsam raus dürfen, das ist allgemein bekannt, momentan nur Menschen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben. Ob diese Gemeinsamkeit auch der Meldezettel beweisen muss, ist strittig. Wer etwa wegen lärmender Mitbewohner oder schlechten Internets zu Freunden gezogen ist, könnte beim gemeinsamen Spaziergang Schwierigkeiten bekommen. Der Haushalt sei zwar nicht mit dem Hauptwohnsitz gleichzusetzen, sagt Funk, dennoch, so Nowak, wäre es "legitim, Leute zu strafen, wenn sie ohne Abstand draußen sind und nicht denselben Wohnsitz haben". Immerhin sei für die Polizei, wenn es um den Vollzug geht, der Meldesitz der Indikator für den gemeinsamen Haushalt.

Andersherum kann es außerdem strafbar sein, "wenn Sie wo wohnen, wo Sie nicht gemeldet sind", sagt der Verfassungsjurist Heinz Mayer. Eigentlich muss man drei Tage nach einem Umzug diesen beim Meldeamt bekanntgeben. Das Meldegesetz lässt aber eine Ausnahme zu: nämlich dann, wenn man bis zu zwei Monate kostenlos bei Freunden oder Familie unterkommt und einen anderen Hauptwohnsitz in Österreich hat.

Liebe kennt Grenzen

Wer mit seiner Partnerin oder seinem Partner nicht zusammenwohnt, darf ihn oder sie dennoch treffen: Das zählt, unabhängig von der strittigen Frage des Besuchens, zur Deckung der "notwendigen Grundbedürfnisse", heißt es vonseiten des Gesundheitsministeriums. Auch die Dauer des Besuchs ist demnach unbeschränkt.

Besucht man die Partnerin oder den Partner aber im Ausland, gelten bei der Wiedereinreise die jeweiligen Einreisebestimmungen, etwa verpflichtende Atteste oder eine Heimquarantäne. Trifft man die Person, mit der man nicht zusammenlebt, aber draußen, ist auch bei Paaren nach Ansicht von Verfassungsjuristen der Sicherheitsabstand entscheidend. Denn draußen ist im öffentlichen Raum und damit reglementiert. Der dort vorgeschriebene Meter Abstand sei, so sagt der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak, "eine sinnvolle und legitime Maßnahme, die auch verhältnismäßig ist". Nicht verhältnismäßig wäre etwa, wenn man Paaren, die sich in einer Wohnung treffen, vorschreiben würde, eine Schutzmaske zu tragen oder beim Abendessen einen Meter Abstand zu halten, so Nowak. (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, Eric Frey, 8.4.2020)