"Der Mavi Phoenix hat mehr Zukunft als die Mavi Phoenix.", sagt der Künstler über sich selbst.

Foto: Nils Müller

Am letzten Tag, bevor die Lokale dichtgemacht haben, ging sich noch ein persönliches Treffen mit dem jungen Popmusiker Mavi Phoenix in der Konditorei Aida aus. Die Transition von Frau zu Mann, das aktuell große Thema in Phoenix’ Leben und auf seinem Debütalbum Boys Toys, lässt sich besser unter vier Augen besprechen. Nachdem die Hände desinfiziert sind, geht es gleich sehr offen los.

STANDARD: Sie haben die Erscheinung Ihres Debütalbums "Boys Toys" trotz Corona nicht verschoben. Warum?

Phoenix: Es ist kein Album, das um Charts-Platzierungen kämpft, sondern etwas zum Entdecken. Es musste einfach raus, wie das jetzt mit Mavi Phoenix ist, also die Transgender-Thematik.

STANDARD: Wann wurde Ihnen bewusst, im falschen Körper geboren worden zu sein?

Phoenix: Nach meiner ersten Headline-Tour 2018 war ich daheim und hatte Zeit zum Nachdenken: "Du bist eine erwachsene, ,fertige‘ Frau, da ändert sich nichts mehr." Mir wurde bewusst, dass ich damit nicht leben kann, dass ich jeden Tag damit kämpfe. Das sollte nicht so sein. Die Gedanken sind mir natürlich nicht erst da gekommen, die schwirren schon viel länger herum.

Mavi Phoenix

STANDARD: Wie viel wussten Sie über das Thema Transgender?

Phoenix: Man glaubt, dass meine Generation viel über Transgender weiß. Für mich war das aber völlig ungreifbar. "Transgender" sieht man mal, hört man mal, aber mir taten diese Leute leid, weil sie sich im falschen Körper fühlen. Ich musste erst akzeptieren, dass das auch meine Realität ist. Ich wollte immer ein Junge sein, jetzt ein Mann. Das erst mal für sich selbst zu akzeptieren, ist wahnsinnig schwierig, weil das Thema so stigmatisiert ist. Ich musste erst lernen umzudenken: Dass das nicht bedeutet, dass mein Leben im Arsch ist, sondern dass es besser werden kann, wenn man die Gefühle zulässt und sie auslebt.

STANDARD: Wie ist Ihr Umfeld damit umgegangen?

Phoenix: Für meine Familie ist das schon ein Kampf. Ich kann mir das auch richtig gut vorstellen, dass es auf Teile meiner Familie wirkt, als wäre das eine Art Internet-Trend. Etwas, von dem man vielleicht mal gelesen hat, aber das es eigentlich nicht wirklich gibt. Ich versuche durch Gespräche zu erläutern, wie ich mich fühle.

Mavi Phoenix

STANDARD: Man wird wohl auch oft gefragt, ob man sich sicher ist. Sind Sie sich denn sicher?

Phoenix: Ich bin mir sicher, dass es so ist. Unsicher bin ich mir manchmal, ob es richtig war, diesen Weg öffentlich zu gehen. Es ist eine Sache, zu sagen, man ist Transgender, aber was das dann alles für Konsequenzen nach sich zieht ... Nimmt man Hormone, macht man Operationen? Das sind Fragen, die Angst machen.

STANDARD: Auf Ihren früheren EPs haben Sie weniger Persönliches verhandelt, Mavi Phoenix war mehr eine Kunstfigur. Auf Ihrem Debütalbum geht es nun ans Eingemachte ...

Phoenix: Beim Album hat sich ein Knoten gelöst. Ich habe so viel zu erzählen! Davor hatte ich ja nicht wirklich was zu erzählen. (lacht)

STANDARD: So wollte ich es aber nicht ausdrücken.

Phoenix: Es stimmt ja. Mavi Phoenix hatte früher fröhliche Songs voller Lebensfreude. Das bin zwar auch ich, aber mit dem neuen Album habe ich zugelassen, über schwierigere Themen zu reden. Das hat viel mehr Tiefgang als die EPs davor. Ich war sehr inspiriert, musikalisch hat sich viel Neues aufgetan.

STANDARD: Es wäre unmöglich gewesen, musikalisch weiterzumachen wie bisher?

Phoenix: Ich konnte das Projekt Mavi Phoenix, wie es davor war, nicht mehr aufrechterhalten. Die Leute haben das auch gespürt. Ich habe nichts mehr mit mir selbst als Person anfangen können. Jetzt fühlt sich alles zum ersten Mal hundert Prozent richtig an. Der Mavi Phoenix hat mehr Zukunft als die Mavi Phoenix.

Mavi Phoenix

STANDARD: Zum Hype von Mavi Phoenix hat gehört, dass sie eine Frau war.

Phoenix: Man hat jahrelang eine Künstlerin aufgebaut und ihr Frau-Sein war dabei ein wichtiges Kriterium. Nicht dass ich das so sehr zum Thema gemacht hätte, aber es wurde medial viel thematisiert. Ich habe auch dadurch stärker gemerkt, wie sehr es mich stört, eine Frau zu sein. Ich wurde darüber befragt, wie es als Frau im Rap oder auf Festivals ist. Ich konnte da nie frei von der Leber weg reden oder "Pussy-Power-Parolen" ausgeben. Das ist natürlich super, wenn das Frauen machen, aber ich konnte mich damit nicht identifizieren.

STANDARD: Sie thematisieren auf dem Album verschiedene Männerbilder. Haben Sie sich Gedanken gemacht, welche Art von Mann Sie sein wollen?

Phoenix: Das beschäftigt mich sehr, weil ich kein gutes Männerbild hatte. Ich hatte lange Zeit überhaupt keinen Bezug zu Männern, war immer schon mit Frauen zusammen. Ich hatte einen Neid auf Männer, den ich mir überhaupt nicht erklären konnte. Mir hat vor allem Alex (Alex The Flipper, Co-Produzent; Anm.) geholfen, zu sehen, wie Männer auch sein können. Ich kämpfe natürlich damit, nie Manns genug, nie 100 Prozent Mann sein zu können, was ja überhaupt nicht stimmt. Das Ziel ist es, ein normaler Typ zu sein.

STANDARD: Es gibt wenige Transgender-Personen in der Öffentlichkeit, besonders in Österreich. Wie gehen Sie mit der Vorbildfunktion um?

Phoenix: Ich kann Leute in Berührung mit dem Thema bringen, und das ist wunderschön. So, dass es irgendwann ganz normal ist, dass es solche Leute gibt und dass das keine tragischen Existenzen sind. Dann wollen sie halt das andere Geschlecht haben, who cares! (Amira Ben Saoud, 31.3.2020)