Christoph Boschan, Chef der Wiener Börse, ist nicht dafür, dass Dividenden nun querbeet gestrichen werden.

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Die im ATX, dem Leitindex der Wiener Börse, notierten Unternehmen haben im Vorjahr gut verdient. Viele von ihnen haben – vor der Corona-Krise – hohe Dividenden angekündigt, diese stehen jetzt auf dem Prüfstand.

STANDARD: Aufseher in Europa wollen nicht, dass Banken in der aktuellen Situation Dividenden ausschütten. Ist das gerechtfertigt?

Boschan: Die Banken diskutieren diese Frage selbst gerade sehr intensiv und haben bereits Anpassungen kommuniziert. Die Geldinstitute sind sicher die Branche, bei der eine staatliche Intervention am naheliegendsten erscheint. Zu berücksichtigen ist hier aber immer, dass sich die Kapitalausstattung der Banken in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat.

STANDARD: Und bei anderen Unternehmen, bei denen Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt beziehungsweise gekündigt werden. Ist es da nicht unfair, dass die Belegschaft draufzahlt, die Aktionäre aber nicht?

Boschan: Die aktuelle Dividende bezieht sich ja auf das abgeschlossene Geschäftsjahr 2019. Alle Lieferanten und Mitarbeiter haben für dieses Jahr ihr Geld bekommen. Nur die Eigenkapitalgeber nicht, die sollen jetzt umfallen. Auch das ist eine Frage der Fairness. Außerdem werden die Aktionäre ja selbstverständlich im Rahmen einer Liquiditätssteuerung durch das Unternehmen freiwillig auf ihre Dividende – oder Teile davon – verzichten. Das tun Aktionäre ja immer, wenn es die Liquiditätssituation erfordert. Das Unternehmen ist ja der Ast, auf dem sie sitzen. Dass es dem Unternehmen gutgeht, ist ihr Interesse. Sie werden sich nicht den Ast abschneiden, auf dem sie sitzen.

STANDARD: Und wenn das Unternehmen im Zuge der Corona-Maßnahmen jetzt staatliche Hilfen in Anspruch nimmt?

Boschan: Angemessen wäre, darüber nachzudenken, dass Gewinne, die mithilfe des Staates zukünftig erwirtschaftet werden, im Unternehmen verbleiben. Eine zukünftige gemeinsame Regelung ist besser als die derzeit diskutierte nachträgliche Enteignung der Eigenkapitalgeber. Am Ende läuft es ohnehin auf eine Abwägung im Einzelfall hinaus. Nicht alle Branchen sind gleichermaßen betroffen. Dort, wo es auch jetzt gut läuft – etwa im Einzelhandel oder in der Logistik –, gibt es keinen Grund, auf eine Ausschüttung zu verzichten. Es gibt aber auch Branchen, in denen Vorsicht geboten ist.

STANDARD: Die Bawag etwa verschiebt ihre Hauptversammlung auf den Herbst – wohl in der Hoffnung, dass die Lage dann besser ist, Dividenden nicht mehr so emotionsgeladen sind. Die richtige Strategie?

Boschan: Die Verschiebung hat wohl eher mit der formell rechtlichen Durchführung der Hauptversammlung wegen nicht möglicher Anwesenheiten zu tun und weniger mit der Dividende. Hauptversammlungen können jetzt aber auch online abgehalten werden. Die Frist für die Abhaltung wurde von acht auf zwölf Monate ausgeweitet. Eine Verordnung, wie Hauptversammlungen online abzuhalten sind, ist bei der Justizministerin in Bearbeitung. (Bettina Pfluger, 31.3.2020)