Sämtliche Fotos, auf denen alle drei Vorsitzenden der Oppositionsparteien gut zu sehen sind, stammen noch aus der Händeschüttel-Ära.

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Die Opposition hat es momentan nicht leicht. Seit Beginn der Corona-Krise findet Politik nur noch im Modus des Krisenmanagements statt. Eine Sofortmaßnahme der Regierung jagt die nächste, eiligst werden Hilfspakete geschnürt und Notfallfonds präsentiert. Täglich treten türkise und grüne Minister an die Medien, um die Bevölkerung auf die Eindämmung des Coronavirus einzuschwören, Bundeskanzler und Gesundheitsminister dominieren die Fernsehstudios, Gesetze werden im Parlament per Schnellverfahren durchgewunken.

Für breite Diskussionen, in denen sich Oppositionspolitiker profilieren könnten, bleibt dabei kaum Zeit. Und für inhaltliche Fundamentalkritik fehlt der Platz: Allen Umfragen zufolge unterstützt eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung die drastischen Eingriffe in ihren Lebensalltag, im internationalen Vergleich kann die Regierung sogar den Spitzenwert an Vertrauen verbuchen.

Wie sehr die Opposition mit der türkis-grünen Omnipräsenz hadert, wurde jüngst etwa deutlich, als FPÖ-Chef Norbert Hofer die Regierung nachgerade verzweifelt zum Leisertreten aufforderte: "Hörts auf mit den Pressekonferenzen!" Auch Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker nahm die Selbstvermarktung der Regierung ins Visier: "Offenbar steigt nur die Zahl an Pressekonferenzen rapide, nicht aber die der überlebenswichtigen Corona-Tests."

Nationaler Schulterschluss

Die generelle Stoßrichtung ist bei SPÖ, FPÖ und Neos dieselbe. Man will nicht als Blockierer dastehen, aber der Regierung das Rampenlicht auch nicht ungetrübt überlassen. Im Nationalrat stimmte die Opposition beiden Corona-Gesetzespaketen unter Berufung auf den "nationalen Schulterschluss" einhellig zu, obwohl all ihre Anträge von den Regierungsfraktionen abgeschmettert wurden. Dass die Gesetze überhaupt in Windeseile das Parlament durchlaufen konnten, wäre ohne die Mitwirkung der Opposition in der Form gar nicht möglich gewesen.

Weil die Maßnahmen in den Grundzügen von ihr mitgetragen werden, richtet sich die Kritik der Opposition vor allem auf die praktische Umsetzung in den Details. Rot-blau-pinker Tenor: Die Auszahlung der Hilfsgelder gehe zu langsam, der Härtefonds sei zu bürokratisch, und Corona-Tests gebe es viel zu wenige.

Rendi-Wagner fester im Sattel

Parteiinterne Streitigkeiten rücken durch die Ausnahmesituation in den Hintergrund, was vor allem SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zum Vorteil gereichen dürfte. Vor einem Monat war der Unmut in den roten Reihen über Rendi-Wagners Mitgliederbefragung samt Vorsitzfrage riesig, der Schaden für den anstehenden Wien-Wahlkampf schien durch langwierige Selbstbeschäftigung mit ungewissem Ausgang für die Partei angerichtet.

Durch Corona ist die Personaldiskussion verschwunden, weder die Beteiligungsquote noch das Ergebnis der Befragung können unter den obwaltenden Umständen sinnvoll interpretiert werden. Mächtige Landeschefs wie der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig haben derzeit anderes zu tun, als einen Wechsel an der Parteispitze einzuleiten. Und Rendi-Wagners weithin anerkannte Kompetenz als Gesundheitsexpertin garantiert ihr momentan jene Souveränität, die ihr sonst oft abgeht. Der Kampf um ihre Nachfolge ist vorerst abgesagt.

Rotes Wien und Bundespolitik

Obwohl die Partei in Opposition ist, finden sozialdemokratische Inhalte über die Kanäle von Gewerkschaft und Arbeiterkammer mancherorts Eingang in die Wirtschaftspolitik. Bei der Entwicklung der Corona-Kurzarbeit saßen die oft schon abgeschriebenen Sozialpartner mit am Verhandlungstisch und bewerben das auch für Arbeitnehmer attraktive Modell seither genauso intensiv wie die Koalition. Diesbezügliche Errungenschaften versucht die SPÖ teils für sich zu reklamieren: Die von der Regierung verkündete Aufstockung des Kurzarbeitbudgets auf eine Milliarde Euro sei als Umsetzung einer SPÖ-Forderung zu begrüßen, kommentierte etwa Sozialsprecher Josef Muchitsch. Mit dem von der FPÖ unterstützten Ansinnen einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes gelang es der SPÖ am Wochenende auch selbst wieder, ein schlagzeilenträchtiges Thema zu setzen, das die Regierung unter Zugzwang bringt.

Die regierungskritischen Ansagen des roten Gesundheitsstadtrats Peter Hacker werden hingegen vom Konflikt zwischen Wien und Bund überlagert und werden von der Bundes-SPÖ nicht übernommen. Die besonderen, engen Raumverhältnisse einer Großstadt und ihre psychosozialen Folgen kommen in der Debatte stärker zum Tragen als Parteipolitik, auch wenn es der Wiener SPÖ durchaus gelegen kommt, sich im Vorfeld der Gemeinderatswahlen als Schutzherrin der Stadt zu profilieren.

Der blaue Vorreiter

Die zweitgrößte Oppositionspartei – die FPÖ – scheint sich mit der Corona-Politik noch schwerer zu tun als die anderen. Dabei waren die Freiheitlichen in Österreich Vorreiter bei Warnungen vor dem Virus. Schon Anfang Februar kritisierten FPÖ-Politiker lasche Gesundheitschecks am Flughafen; auch eine Einschränkung des Grenzverkehrs zu Italien vertraten die Blauen als Erste. Ob dies von medizinischer Expertise herrührte, darf bezweifelt werden: Das Schüren von Ängsten über Bedrohungen aus dem Ausland, gepaart mit einem Faible für Abschottung, passt jedenfalls zu ihren ideologischen Grundannahmen und wurde dieses Mal auf Corona angewendet.

Als die Regierung dann selbst hart durchgriff, blieb für die FPÖ inhaltlich nicht mehr viel zu beanstanden – noch weiter gehende Einschränkungen sind ohnedies kaum möglich. Und der Phrase vom "nationalen Schulterschluss" vermochte sich selbst der auf Fundamentalopposition getrimmte Klubchef Herbert Kickl im Nationalrat nicht zu verschließen.

Um eigene Akzente zu setzen, versucht die FPÖ – wo es irgendwie geht – die Corona-Krise mit ihrer Antiflüchtlingspolitik zu verquicken. So läuft die FPÖ gegen Pläne des Innenministeriums Sturm, leere Asylquartiere zu reaktivieren, um die Corona-Ausbreitung unter Asylwerbern einzudämmen. Anderes Beispiel aus dem blauen Arsenal: Es dürfe nicht sein, dass verlängerte Grundwehrdiener weniger Geld bekommen als Asylberechtigte in der Mindestsicherung, befand Norbert Hofer auf Facebook.

Neos: Skeptisch bei Big Data und gegen "Bürokratiemonster"

Alle drei Oppositionsparteien vereint ihre Skepsis gegenüber der von Kanzler Kurz – ohne Details – angekündigten Nutzung von Big Data, wodurch die Verbreitungskette des Virus verfolgbar gemacht werden soll. Besonders für die liberalen Neos bietet sich hier die Möglichkeit, Individualrechte gegen staatliche Informationssammlung in Stellung zu bringen. In einer ersten Reaktion auf die Big-Data-Pläne hätten bei ihr "alle Alarmglocken geschrillt", sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Später relativierte sie diese kantige Ablehnung und sprach von einem Spannungsfeld, in dem es eine Allparteienlösung brauche.

Auffällig ist, dass bei den Neos Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn zumindest genauso präsent ist wie die Parteichefin selbst. Der Hotelier hat sich als vehementer Kritiker an der Abwicklung der Wirtschaftshilfen hervorgetan. Den Härtefonds prangert Schellhorn, auf Beispiele gestützt, als "Bürokratiemonster" an, und bei seinem Ärger, dass die von ihm jahrelang attackierte Wirtschaftskammer den Fonds verwaltet, läuft Schellhorn zur Höchstform auf. Das stets gepriesene Nulldefizit warfen die Pinken indes genauso schnell über den Haufen wie die ÖVP. (Theo Anders, 31.3.2020)