In den Vereinigten Staaten bleiben Kontaktbeschränkungen, die Donald Trump ursprünglich am Ostersonntag aufheben wollte, vorerst bis zum 30. April in Kraft. Angesichts ernüchternder Szenarien, die führende Epidemiologen des Landes für den Fall einer zu frühen Rückkehr zur Normalität entwarfen, ist der Präsident nun offenbar endgültig auf jene harte Linie eingeschwenkt, gegen die er sich lange gesträubt hatte. Mit rund 143.000 bestätigten Corona-Erkrankungen – Stand von Montagvormittag – verzeichnen die USA mehr Ansteckungsfälle als jedes andere Land.

Allein in New York City gab es bis Montag fast 34.000 Fälle und mehr als 770 Tote. Die Krankenhäuser der Metropole mit ihren 8,6 Millionen Einwohnern sind an ihre Grenzen gestoßen, obwohl der Höhepunkt der Epidemie erst in zwei oder drei Wochen erwartet wird. In den Kliniken reiche das medizinische Material noch für eine Woche, sagte New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, der die Bürger seiner Stadt auf eine "harte Woche" einstellte. Man brauche dringend Nachschub. Unterdessen rücken neue Krisenherde in den Fokus, immer dramatischer wird die Lage in New Orleans und Detroit.

Donald Trump will dem Coronavirus nun doch noch zeigen, wo es langgeht.
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Karneval als Ansteckungsherd

In New Orleans, wo sich zahlreiche Menschen offenbar während der berühmten Karnevalsumzüge angesteckt haben, zeichnet sich ein akuter Notstand ab. Wenn sich die Kurve neuer Krankheitsfälle nicht abflache und die Kapazitäten der Krankenhäuser nicht deutlich erweitert würden, könnten schon am kommenden Samstag nicht mehr alle Schwerkranken beatmet werden, warnt John Bel Edwards, der Gouverneur des Bundesstaats Louisiana. Man habe zwölftausend Beatmungsgeräte bei Herstellern geordert, die schon jetzt an der Kapazitätsgrenze produzierten. Erhalten habe man bisher 192. Nun müsse man sich darauf einstellen, zwei Patienten mit einem Gerät zu versorgen.

In Michigan kommen pro Tag etwa tausend neue Fälle hinzu. Am schlimmsten ist es in der Automobilstadt Detroit, wo das Virus bis Montag 56 Menschenleben forderte. In den Kliniken dort müssten Krankenpfleger eine ganze Schicht lang ein- und dieselbe Schutzmaske tragen, skizzierte die Gouverneurin des Bundesstaats, Gretchen Whitmer, den akuten Mangel.

Trump hatte die Demokratin als Beispiel für Politiker genannt, die ihm gegenüber die angemessene Dankbarkeit vermissen ließen und daher ignoriert werden sollten. Seinem Stellvertreter Mike Pence, der die Corona-Taskforce des Weißen Hauses leitet, hatte er nahegelegt, "die Frau in Michigan" nicht mehr anzurufen. Ihr fehle die Kraft, um auf jede Spitze zu reagieren, entgegnete Whitmer. "Keine politischen Attacken mehr, sondern Beatmungsgeräte, Schutzmasken und Test-Kits! Sie sagten, Sie stehen mit Michigan. Beweisen Sie es."

Verzicht auf Reisen

Bis zum 30. April also sollen Amerikaner nach den amtlichen Leitlinien weiter auf alle nicht zwingend notwendigen Reisen verzichten, falls irgendwie möglich im Homeoffice arbeiten und nicht in Gruppen von mehr als zehn Menschen zusammenstehen. Eine eventuelle Rückkehr zur Normalität hat Trump nunmehr für Anfang Juni in Aussicht gestellt. Bis dahin werde man deutlich vorangekommen sein auf dem Weg zur Besserung. "Bis zum 1. Juni, glauben wir, werden viele großartige Dinge passieren."

Gelockerte Regeln für bestimmte, momentan weniger stark betroffene Regionen, wie das Weiße Haus sie noch vor Tagen erwog, wird es vorerst nicht geben. Experten, sagte Trump am Sonntagabend, hätten ihm abgeraten, regionale Unterschiede zu machen. "Nichts wäre schlimmer als den Sieg zu verkünden, bevor man tatsächlich gesiegt hat."

Anthony Fauci rechnet mit mehr als 100.000 Corona-Toten, auch wenn nun entschlossen gehandelt wird.
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Bis zu 2,2 Millionen Tote

Dass der Mann, der die Krise erst wochenlang verharmlost und dann eine baldige Entspannung in Aussicht gestellt hat, nunmehr deutliche Worte findet, liegt an Szenarien, die Amerikas angesehenster Epidemiologe am Wochenende öffentlich gemacht hatte. Anthony Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases, rechnet mit 100.000 bis 200.000 Todesfällen, selbst wenn man jetzt entschlossen handle, um den Anstieg der Infektionen zu bremsen.

Die Medizinerin Deborah Birx, wie Fauci Mitglied der Corona-Taskforce der Regierungszentrale, nannte noch weit höhere Zahlen – bis zu 2,2 Millionen Tote, nach ihren Worten ein Worst-Case-Szenario für den theoretischen Fall, dass nichts getan werde, um gegenzusteuern. (Frank Herrmann, 30.3.2020)