Im Gastkommentar fordert der Mathematiker Norbert J. Mauser eine weiterreichende Maskenpflicht – als Schutz und Verstärker des Social Distancing.

Es ist unfassbar: Einerseits wurde Österreich mit den Maßnahmen in einen "Lockdown light" geschickt, die Freiheit von allen drastisch eingeschränkt und die Wirtschaft, vor allem Kleinunternehmen, massiv beeinträchtigt. Andererseits hat man aber nicht von Anfang an Maskenpflicht und rigoroses Distanzhalten verordnet und vorgeführt, ohne die alle Maßnahmen der Bundesregierung viel weniger bringen! Dabei könnte man von den asiatischen Ländern lernen, wo der Kampf gegen Corona so halbwegs gelingt. Deren Strategien haben eines gemeinsam: Kein Mensch ist ohne Maske an einem öffentlichen Platz wie U-Bahn, Geschäft, und alle halten die zwei Meter Distanz ein.

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Schutzmasken gehören zum Alltagsbild in Südkorea – und bald auch in Österreich.
Foto: Reuters / Kim Kyung-Hoon

Ansteckung anderer verringern

In den österreichischen Städten dagegen sind noch letzten Samstag die Supermärkte voller denn je – aufgrund der verkürzten Öffnungszeiten –, ohne jede Zugangsregelung und Kontrolle der Distanz von mindestens zwei Metern zwischen zwei Menschen. Dazu zirkulieren unfassbare Bilder von ungeschützten Menschentrauben, zum Beispiel am Wiener Donaukanal.

Die maximale Verringerung der Ansteckung anderer – also wenn ein Infizierter redet oder hustet und so Viren überträgt – ist der zentrale Punkt aller Maßnahmen. Eine Vielzahl der Infizierten ist ja symptomfrei und weiß gar nicht, dass sie das Virus in sich trägt. Aus diesem Grund ist jede ordentlich selbstgebastelte "Maske" sehr effektiv, viel effektiver als das "in den Ellenbogen niesen", das uns Experten allen Ernstes einreden wollen.

Wichtiges Signal

Der eigene passive Schutz gelingt mit diesen Masken zwar nur ein wenig. Dafür braucht es natürlich die hochwertigen Masken FFP3 oder mindestens FFP2, von denen es aber sogar für das medizinische Personal viel zu wenige gibt, obwohl es diese Masken natürlich um jeden Preis haben müsste. Das oft vorgebrachte Argument gegen eine Maskenpflicht, dass es nicht genügend Masken gäbe, ist damit genauso Unsinn wie das angebliche Gegenargument, dass ja damit den Ärzten die Masken weggenommen würden.

Der Abstand von mindestens zwei Metern zwischen allen Menschen, die nicht im gleichen Haushalt leben, muss rigoros eingehalten und wegen der Unbelehrbaren überwacht werden. Das Tragen von "Mundschutzmasken" ist dabei ein ganz wichtiges Signal, das das Bewusstsein aller erhöht für das "Social Distancing"!

Die Regierungschefinnen und -chefs von China, Hongkong, Singapur und Südkorea – also der erfolgreichen Länder im Kampf gegen Covid-19 – sind von den ersten Pressekonferenzen an immer konsequent mit Masken aufgetreten, als wichtiges Symbol für alle. Und das ist genau, was wir in Österreich sofort brauchen: Maskenpflicht als Schutz und Verstärker des Social Distancing.

Podcast: Welche Maske schützt vor dem Coronavirus?

Hoffnung und Optimismus

Noch ist Hoffnung, dass wir die Überlastung der Spitäler vermeiden und dass die Zahl der Intensivbetten ausreichen wird und Menschen – wie in Italien, Spanien oder im Elsass – nicht unnötigerweise sterben müssen. Berechnungen belegen diesen Optimismus: Es reicht, die bekannten Daten von China und Italien geschickt zu verwenden. So kann auch sinnvoll abgeschätzt werden, was in 45 Tagen passieren wird – wir haben ja andere Länder, die uns um Wochen, wenn nicht Monate voraus sind.

Das vor zehn Tagen vom Wolfgang-Pauli-Institut erarbeitete Modell passt die Daten von China und Italien auf die Lage in Österreich an. Die Voraussagen der sich daraus ergebenden "Großglocknerkurve" erweisen sich in den letzten Tagen erstaunlich genau und lassen hoffen, dass es – so wie in China – zu einem deutlichen Abfall der Anzahl der Neuinfektionen pro Tag kommen wird. Vorausgesetzt, die Maßnahmen werden ähnlich wie in China nachgeschärft.

Mehr Distanz

Die Pressekonferenz am Montag, bei der Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine Minister das Tragen von Mund-Nasen-Schutz verordneten, war ein erster Schritt in die richtige Richtung – noch besser wäre es gewesen, wenn sie die Pressekonferenz gleich vorbildlich selbst mit Mund-Nasen-Schutz abgehalten hätten. Kurz hatte eine Sternstunde, als er vor laufender Kamera sagte: "Ich liebe meinen Vater, deshalb schütze ich ihn und sehe ich ihn jetzt für längere Zeit nicht!"

Eine weitere Sternstunde hätte der Bundeskanzler, wenn er – am besten morgen – verkünden würde: "Liebe Österreicherinnen und Österreicher, schützt euch selbst und vor allem die anderen, indem ihr jetzt bitte alle, so wie ich, in der Öffentlichkeit einen Mundschutz trägt, im Moment auch einen gut selbstgebastelten, und den Abstand von zwei Metern einhaltet. Wenn jetzt unsere besten Wissenschafter dringend um eine Verbesserung der Maßnahmen flehen, dann nehme ich das ernst.

Jeder von euch, dessen Eltern und Großeltern jetzt nicht dem Virus zum Opfer fallen, wird dankbar sein. Wir akzeptieren die Einschränkung der Freiheit durch die Gurtenpflicht, die viele Menschenleben gerettet hat – lasst uns gemeinsam viele Leben retten und auch unsere Wirtschaft, indem wir ab sofort in der Öffentlichkeit Mund-Nasen-Schutz tragen und Distanz wahren." (Norbert J. Mauser, 30.3.2020)