Beschäftigte im Handel sind derzeit besonderen Belastungen ausgesetzt. Mancher Arbeitgeber macht das Leben noch schwerer.

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Sie gehören zu jenen, die derzeit als Helden und Heldinnen der Corona-Krise beklatscht werden: die tausenden Beschäftigten im Handel. Keine Frage, der Job vor allem im Lebensmittelhandel ist unter den aktuellen Bedingungen noch herausfordernder als in normalen Zeiten. Die rund 160.000 nicht eben gut bezahlten Mitarbeiter sind seit dem offiziellen Krisenbeginn vor gut zwei Wochen vielfach im Dauerstress. Auch wenn das Ärgste zumindest im Vordergrund vorbei zu sein scheint, wie der Lokalaugenschein in Filialen einzelner Supermarktketten und Diskonter zeigt. Da wie dort meist Normalbetrieb.

Die Handelsketten wollen ihre Beschäftigten mit einem Bonus für die Mühsal der vergangenen Tage entlohnen – zumindest die vom ersten Riesenkundenansturm besonders Betroffenen in den Filialen und im Lager. Die Regierung hat zudem versprochen, die Bonuszahlung steuerfrei zu stellen. Für manche wohl nur ein schwacher Trost.

Spuckattacken

Denn zu den Herausforderungen zählten auszuckende Kunden, die sich gegenseitig die Klopapierrollen aus den Einkaufswagerln stibitzten und nur durch Polizeibeamte wieder zur Vernunft gebracht werden konnten. So mancher besonders Gestresste spuckte dem Personal schon einmal ins Gesicht, sodass der eine oder andere Beschäftigte keinen Ausweg mehr sah, als sich in der Toilette zu verschanzen.

Mittlerweile hat sich die Lage so weit stabilisiert, bestätigen alle Seiten. Die Sozialpartner haben sich auf eingeschränkte Öffnungszeiten und mehr Schutz für das Personal verständigt. Zumindest bei den Großen wurden weitgehend Plexiglasscheiben installiert, auf dem Boden sichtbare Abstandszeichen für die Kunden aufgemalt und die Mitarbeiter mit Handschuhen ausgestattet.

Die nächste Verschärfung steht dem Handel nun bevor. Die sozialpartnerschaftlich umgesetzten Regelungen sollen verpflichtend werden. Dazu gehört mehr Schutz für Mitarbeiter mit Vorerkrankungen. Gefährdete Personengruppen müssen auch beruflich freigestellt werden oder verpflichtend ins Homeoffice.

Unterschiedliche Rezepte

Derzeit ist die Lage unterschiedlich. Während so mancher Konzern sehr rasch schwangere Mitarbeiterinnen oder solche mit Vorerkrankungen nach Hause geschickt hat, taten andere sich damit schwer, heißt es aus der Gewerkschaft GPA-djp. Bei der Gewerkschaft hatten sich etwa Lidl-Beschäftigte gemeldet, die verunsichert seien, sagt Gewerkschafterin Anita Palkovich. Bei Lidl heißt es, dass Schwangere seit voriger Woche vom Dienst freigestellt seien. Auch Risikogruppen würden bei der Dienstplanerstellung berücksichtigt, so ein Sprecher.

Die Handelsriesen begegnen der Krise mit unterschiedlichen Rezepten. Die Krankenstände seien überall gestiegen, sagt Gewerkschafterin Palkovich. Während die einen drohender Personalknappheit etwa durch Schließen der Frischfischtheke oder des Frisiersalons im Drogeriemarkt begegnen und Personal umschichten, kursieren auch interne Rundschreiben, die etwa die Drogeriemarktkette Müller verschickt haben soll. Neben ausdrücklichem Dank an die Beschäftigten findet sich dort auch eine mahnende Passage: Der Krankenstand sei kräftig gestiegen. Man möge auf seinen Körper hören, aber auch an die Kollegen denken, heißt es da. Die müssten immerhin die liegengebliebene Arbeit übernehmen.

Für Gewerkschafterin Palkovich trennt sich da die Spreu vom Weizen: "Jetzt bröckelt vielfach die Fassade, die Unternehmen sich in guten Zeiten zugelegt haben." (Regina Bruckner, 31.3.2020)