Exklusives Gut: Die untere Hälfte der Haushalte kommt in Österreich auf 3,6 Prozent des Vermögens, das Top-Zehntel auf mehr als die Hälfte.

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Weggebrochene Steuereinnahmen, explodierende Arbeitslosigkeit, teure Notmaßnahmen und folgende Konjunkturpakete: Die vom Coronavirus ausgelöste Wirtschaftskrise zieht einen Rattenschwanz an Kosten nach sich. Wie sollen die Staaten die Milliardenlöcher in den Budgets hinterher stopfen? Zumindest linke Parteien werden dieselbe Antwort wie nach der Finanzkrise anbieten: durch Vermögensteuern.

Wie hoch das Potenzial für einen solchen Obolus ist und welche Gruppen getroffen würden, ist heiß umstritten. Als Unterfutter für die Debatte erheben Europas Notenbanken seit Jahren Daten zur Vermögensverteilung. Österreichs Nationalbank hat daraus nun einen umfassenden Vergleich destiliert.

Top-Zehntel hält 56 Prozent des Vermögens

Ein markantes Ergebnis: Österreich zählt zu jenen EU-Staaten, wo Vermögen besonders stark auf eine Oberschicht konzentriert ist – der Gini-Koeffizient, ein Indikator für Ungleichheit, ist der vierthöchste (Daten von 2017). Die reichsten zehn Prozent der Haushalte besitzen gut 56 Prozent des Nettovermögens, nur in Zypern (62 Prozent), Estland (58) und den Niederlanden (57) ist der Anteil höher. Am unteren Ende der Skala finden sich Polen, Griechenland und die Slowakei mit jeweils etwas über 40 Prozent. Die obersten fünf Prozent kommen auf Anteile zwischen 27 Prozent in Griechenland und 49 Prozent in Zypern, in Österreich liegt der Wert bei 43 Prozent.

Für die Steuerfrage heißt das: Quer durch Europa könnten die Staaten also einen beträchtlichen Teil des Vermögens ins Visier nehmen, ohne die Mittelschicht zu treffen.

Andere Seite der Medaille: Die ärmere Hälfte der Haushalte zusammen kommt in Österreich gerade einmal auf 3,6 Prozent des Vermögens. Lediglich in den Niederlanden (0,5 Prozent) und Deutschland (2,7 Prozent) ist der Anteil geringer. Das Land mit der gleichmäßigsten Verteilung ist demnach die Slowakei, wo die unteren 50 Prozent immerhin 15 Prozent des Vermögens besitzen.

Auf die Lebensqualität lässt dies allerdings keine Rückschlüsse zu. Der relative große Gap in Ländern wie Österreich und Deutschland habe damit zu tun, merken die Nationalbank-Experten an, dass die dortigen Wohlfahrtssysteme sehr gute Absicherung bieten, weshalb die Anhäufung von Vermögen weniger Bedeutung hat. Sozialer Wohnbau führt dazu, dass in Österreich und Deutschland weniger Leute auf ein Eigenheim ansparen (müssen) als in allen anderen EU-Staaten.

Übrigens: Im Gegensatz zum Vermögen zählt die Verteilung der Einkommen in Österreich zur gleichmäßigsten in der EU.

Hälfte hat weniger als 83.000 Euro

Auf absolute Beträge umgemünzt, lässt sich abschätzen, wie groß die Reserven der privaten Haushalte in der Corona-Krise sind. Die Hälfte der heimischen Haushalte verfügt über ein Nettovermögen von weniger als 83.000 Euro, macht einen Platz im Mittelfeld. Top sind in diesem Vergleich die Luxemburger mit fast einer halben Million, am Ende liegen die Letten mit 20.000 Euro. Die unteren 30 Prozent besitzen in Österreich maximal 18.000 Euro, umgekehrt kommen fünf Prozent auf über 866.000 Euro.

Auch in einem anderen Vergleich liegen die Steuerparadiese vorn. In Luxemburg macht das Nettovermögen der Haushalte in etwa das Zehnfache der Bruttojahreseinkommen aus, auf Malta das 13-Fache, auf Zypern gar das 15-Fache. In Österreich müsste ein Haushalt fünfmal das gesamte Jahreseinkommen sparen, um das Durchschnittsvermögen zu erreichen – macht einen Platz im unteren Mittelfeld.

Frei nach Starökonom Thomas Piketty lässt sich aus dieser Diskrepanz ein Argument für Erbschaftssteuern herauslesen: Mit erarbeitetem Einkommen lassen sich nur schwerlich derartige Vermögen anhäufen, wie sie durchs Erben weitergegeben werden.

In einer Analyse zieht die Europäische Zentralbank auch einen zeitlichen Vergleich. Demnach ist die Ungleichheit in den untersuchten Ländern zwischen 2014 und 2017 gestiegen. Die reichsten 20 Prozent verzeichneten, wie es heißt, einen relativ großen Vermögenszuwachs. Die Mittelklasse legte moderat zu, während die ärmsten 20 Prozent der Haushalte verloren haben. (Gerald John, 30.3.2020)