Der Corona-bedingte Stillstand der Welt gibt Anlass, sich Themen zu widmen und Trends zu hinterleuchten, zu hinterfragen, die sonst aus Platz- und Zeitmangel meist unter den Tisch fallen. Dabei sehen wir uns diesmal die oberste, abgehobenste Liga der SUVs an. Ganz allgemein ist im Zugang zum SUV ja eine starke Ambivalenz zu bemerken: Einerseits wird er in der veröffentlichten Meinung verteufelt, andererseits bei der Kundschaft von Jahr zu Jahr immer noch beliebter. Ein globaler Trend.

Das betrifft inzwischen auch die Abteilung unerschwinglich und hoffnungslos abgehoben, wo mittlerweile etliche Dickschiffe im Angebot sind, zu Freude und Gaudium von Reich und Schön. UHNWIs (Ultra High-Net-Worth Individuals, Menschen mit Vermögen von 50 Mio. US-Dollar aufwärts) lautet der zugehörige Begriff. Es ist dies die Yachten-Klientel, die mit Privatjets, (Ferien-) Häusern rund um die Welt, Kunst, Juwelen – sowie Dutzenden von Luxusautos und Oldtimern.

Very British

Doch wie hat der Trend dort eigentlich begonnen? Zwiefach. Einmal, very British, mit Range Rover, dem überragend geländetauglichen Nobelgerät für Latifundienbesitzer, das war 1970. Und dann, 2002, preschte Porsche mit dem Cayenne vor. Damit war der Trend ganz oben angekommen.

Der Range Rover schlägt sich dort nach wie vor recht gut, in vierter Generation mittlerweile, aber lassen Sie uns kurz reflektieren, was den renommierten deutschen Sportwagenhersteller in die Hochbaufraktion getrieben hat.

Der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking suchte nach einer Möglichkeit, die Nachfragekurven bei den Modellzyklen von 911 und Boxster abzufedern. Bekanntlich verkaufen neue Autos sich besser als in die Jahre kommende. Also sah sich der gewiefte Manager um, was da passen könnte, und setzte einen SUV mitten in die abflauenden Absatzkurven der Sportwagen.

Porsche Cayenne
Foto: Porsche

Der Cayenne war geboren, das Scharf-wie-Pfeffer-Ding unter den SUVs, und anders als der Range Rover, der stets außerhalb jeglicher Beschmutzkübelung stand, ging das Sperrfeuer auf den Porsche sogleich los – allerdings auch der Verkaufserfolg.

Der war derart durchschlagend, dass die Zuffenhausener heute deutlich mehr SUVs der Modelle Cayenne und Macan verkaufen als traditionelle Sportwagen. Allerdings kommt auch die Botschaft glaubhaft rüber, dass es sich um das jeweils sportlichste Angebot unter den SUVs handelt. Und Porsche hat auch schon die Weichen gestellt in Richtung Elektro-SUV: Mit dem Taycan Cross Turismo fährt noch heuer ein Shooting-Brake-Crossover vor und der Macan, der kleinere der beiden Porsche-SUVs, bekommt einen rein batterieelektrischen Nachfolger.

Lukrativer Trend

Es hat dann eine Weile gedauert, bis die Nächsten auf den lukrativen Luxus-SUV-Trend aufsprangen. Erwähnen könnte man noch den Mercedes GLS (vormals GL, ab 2006), dessen Top-Versionen an die Liga andocken, so wie seit 2019 auch der BMW X7.

Bentley Bentayga
Foto: Bentley

Was hier gemeint ist, rangiert aber prinzipiell eine (halbe) Liga darüber, und da war Bentley mit dem Bentayga am schnellsten. 2016 war es so weit, der formal eher missglückte SUV fand vom Fleck weg viel Zuspruch (immer gerechnet auf besagte UHNWIs; Geschmack kann man eben mit Geld nicht kaufen, lautete der triefende Spott zahlreicher Kommentatoren), er katapultierte Bentley in ganz neue Absatzregionen.

Maserati Levante
Foto: Maserati

Ebenfalls 2016 lancierte Maserati seinen ersten SUV, der Damm war gebrochen. Auch er ein Überfünfmetertrumm, diesmal sogar einer mit einem Schuss italienischer Geschmackssicherheit. Interessanterweise – weil anders als sämtliche hier erwähnten Fahrzeuge – schwächelt der Wurf der Edelmetaller aus Modena aber an der Absatzfront. Der Dreizack im Grill reicht wohl nicht, die verwöhnte Klientel zu überzeugen.

Lamborghini Urus
Foto: Lamborghini

Mal sehen, wie sich der andere Italiener schlagen wird, der Lamborghini Urus, der seit 2018 das Superflunderangebot der Supersportwagenmarke aus Sant’Agata Bolognese ergänzt. Beim Design so laut und extrem, wie von Lambo zu erwarten, profitierte der Urus (wie auch Cayenne und Bentayga) davon, dass er eine bewährte Basis modifizieren durfte, von der sich auch profanere Gerätschaft wie VW Touareg und Audi Q7/Q8 herleitet. Wie kein anderer SUV bisher, nicht einmal der Cayenne Turbo (550 PS), betont der Urus mit seinen 650 PS die Supersportlergene – und verkörpert so genau das eine Extrem, das Rolls-Royce seit 2018 auf der ultimativen Komfortfront im anderen besetzt.

Rolls-Royce Cullinan
Foto: imago

Das 5,34 Meter lange Schiff ist ein Monument von einem SUV, das Design in sich stimmig, bis hin zu diesem mächtigen Grill im Stile eines griechischen Tempels. Welcher Gottheit der geweiht sein mag? Mammon womöglich, aber der zählt nicht zum hellenischen Pantheon. Der Cullinan, luxuriös bis zum Abwinken und noch höher positioniert als Bentleys Bentayga (auch preislich), hat Rolls-Royce jedenfalls ’19 ein sattes Rekordjahr beschert, Konzernmutter BMW wird’s zufrieden sein.

Aston Martin DBX
Foto: Aston Martin

Und weil der nobelste Fauteuil damit besetzt ist, schielt Aston Martin in die Ecke Porsche und Lamborghini. Richtig, auch jene britische Marke, die für eine Reihe der zeitlos schönsten Mobile der Welt verantwortlich zeichnet, hat jetzt einen SUV, den DBX.

Mitte des Jahres fährt er in die Garagen der betuchten Kundschaft, vor allem in jene aus USA und China. "Mit der Seele eines Sportwagens", bewirbt der Hersteller den 5,04-Meter-SUV mit reichlich Mercedes-Technik. Und damit schließen wir unsere Betrachtungen mit dem Frage- und Rufzeichen, ob und wie lange Ferrari noch Widerstand leisten kann – wir sagen nur: Purosangue, auf Deutsch: Vollblut, 2022. Auweh.

Wie es aussieht, kommt heute tatsächlich keine renommierte Automarke mehr ohne SUV aus. (Andreas Stockinger, 02.04.2020)