Bundeskanzler Kurz hat auch von "roten Netzwerken" in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gesprochen.

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Wien – Aussagen des Bundeskanzlers über angebliche Leaks bei Staatsanwälten hatten – vor der Corona-Krise – nicht nur eine große öffentliche Debatte zur Folge, sondern auch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien. Diese beabsichtige, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) "förmlich als Zeugen" einzuvernehmen, teilte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) in Beantwortung einer schriftlichen Anfrage der Neos mit.

Kurz wird aber erst später einvernommen, denn die Staatsanwaltschaften verzichten angesichts der Corona-Krise derzeit generell auf alle Einvernahmen, die nicht oberste Priorität haben, sagte Behördensprecherin Nina Bussek am Dienstag. Die nach Kurz' Aussage über eine angebliche Weitergabe von Akten durch Staatsanwälte an Journalisten aufgenommenen Ermittlungen werden fortgesetzt, sobald es die Umstände wieder zulassen. Die Gerichte und Staatsanwälte arbeiten derzeit zwar weiter, aber im Sinne minimaler persönlicher Kontakte wird auf nicht unbedingt nötige Verhandlungen oder Einvernahmen verzichtet.

Ermittlungen gegen unbekannten Täter

Anlass für die Ermittlungen sind Kurz' Aussagen am Rande einer "Aussprache" mit Justizvertretern nach seiner Attacke auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in einem Hintergrundgespräch. Am 10. Februar sagte er im anschließenden Pressestatement, zwei "hochrangige" Journalisten hätten ihm erzählt, dass ihre Redaktionen Akten auch von Staatsanwälten bekommen hätten.

Diese Aussagen haben – "nach übereinstimmender Ansicht" der Staatsanwaltschaft Wien und der Oberstaatsanwaltschaft Wien – den Anfangsverdacht der Begehung von Straftaten begründet. Deshalb habe die Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses eingeleitet, berichtete Zadić. Weitere Informationen könne sie nicht geben, weil es sich um ein laufendes Verfahren handle.

Die Ministerin weist jedoch darauf hin, dass wegen derartiger Vorwürfe schon mehrmals ermittelt worden sei. "Soweit überblickbar", habe das bisher aber nicht zur Ausforschung eines Täters geführt.

Keinen Anlass sah Zadić, wegen der – wie es die Neos in der Anfrage nennen – "pauschalisierenden und unsubstantiierten Aussagen des Kanzlers" selbst Anzeige zu erstatten. Den von den Neos ins Spiel gebrachten Paragraf 116 Strafgesetzbuch – "Öffentliche Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers, des Bundesheeres oder einer Behörde" – hält sie für "nicht indiziert", weil sich die Vorwürfe gegen einzelne Organwalter und nicht gegen eine bestimmte Behörde gerichtet hätten. (APA, 31.3.2020)