Die Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster boltonii) ist hierzulande nur noch selten zu anzutreffen.

Foto: Josef Limberger

Zahl und Vielfalt der Insekten sinken weltweit, Forscher gehen davon aus, dass seit etwa 100 Jahren ein weltweites Insektensterben im Gange ist. In den vergangenen drei Jahrzehnten ist der Schwund Studien zufolge besonders drastisch, hauptverantwortlich dafür dürfte die industrielle Landwirtschaft sein. Es darf daher kaum überraschen, dass der Insektenbestand auch in Österreich dramatisch zurückgegangen ist. Ernüchternde Zahlen nennt nun der "Insektenatlas 2020": Demnach hat sich der Insektenbestand in Österreich seit 1990 um drei Viertel verringert.

Gleichzeitig sank deren Artenvielfalt in diesem Zeitraum um bis zu ein Drittel, heißt es in dem von der Umweltschutzorganisationen Global 2000 in Kooperation mit dem Naturschutzbund Österreich und der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichten Insektenatlas. Setze sich dieser Abwärtstrend fort, würden nicht nur insektenfressende Tierarten darunter leiden, auch markante Ernteausfälle wären die Folge, so die Autoren.

Zahlreich, nützlich, schwindend

Knapp über eine Million der etwa 1,8 Millionen Tierarten weltweit entfallen auf Insekten. In Wirklichkeit dürften es aber noch viel mehr sein: Bis zu 4,5 Millionen Insektenarten könnten Schätzungen zufolge noch entdeckt werden. Allein in Österreich zählen von den 54.125 beschriebenen heimischen Tierarten rund 40.000 zu den Insekten. Die Tierchen spielen jedoch nicht nur zahlenmäßig eine tragende Rolle: Sie leisten für Ökosysteme unverzichtbare Arbeit. So bestäuben sie Pflanzen, bekämpfen Schädlinge, erhalten die Bodenfruchtbarkeit, reinigen Gewässer und stellen eine Nahrungsgrundlage für andere Tiere dar.

Neben dem Klimawandel und zunehmender Lichtverschmutzung werden Insekten vor allem durch die Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft bedroht. Die Zunahme weitläufiger Monokulturen verändert die Lebensräume der Tiere enorm, auch der großflächige Einsatz von Insektiziden und Stickstoffeinträge über die Luft haben weitreichende Folgen. Die Landwirtschaft wäre zugleich einer der großen Verlierer eines fortschreitenden Insektenschwunds.

Müsste sie auf die Bestäubungstätigkeit von Insekten verzichten, würden bei Nahrungsmitteln wie Kakao, Wassermelonen oder Kürbissen Ernterückgänge von über 90 Prozent drohen. Apfel-, Kirschen- oder auch Gurkenernten würden um 40 bis 90 Prozent schrumpfen. Bei lediglich sieben von 107 untersuchten pflanzlichen Lebensmitteln würde dagegen kein Ernterückgang verzeichnet werden, zeigte eine Untersuchung des Weltrats für Biodiversität (IPBES).

Maßnahmen gefordert

"Gerade jetzt wird der Rahmen für die EU-Agrarpolitik der nächsten Jahre gesteckt. Hier muss es Ziel sein, Landwirte bestmöglich bei aktiven Maßnahmen für mehr Biodiversität und Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft zu unterstützen", sagte Birgit Mair-Markart, Geschäftsführerin des Naturschutzbundes Österreich. Umweltorganisationen und Fachexperten fordern etwa, dass auf mindestens zehn Prozent der Fläche Strukturelemente wie Hecken oder Blühstreifen angelegt werden, um Lebensräume für Insekten zu schaffen und Biotope zu vernetzen.

Auf österreichischer Ebene bemängeln Experten, dass es keinen konkreten Aktionsplan für Insektenschutz gebe und die Datengrundlage zur Bewertung von Entwicklungen lückenhaft sei. Zwar wurden einzelne für Bienen hochgiftige Chemikalien EU-weit verboten, doch geht der Trend hinsichtlich der eingesetzten Pestizidmengen hierzulande weiterhin nicht nach unten. Seinen Niederschlag finde das etwa in einem großräumigen Rückgang der rund 4.070 heimischen Schmetterlingsarten, einer 40-prozentigen Gefährdungsquote der aktuell 121 vorkommenden Heuschreckenarten oder Gefährdungstendenzen bei zwei Drittel aller Libellenarten, warnen Naturschutzorganisationen. (red, APA, 31.3.2020)