Screenshot: Endzone
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Screenshot: Endzone

Eine Siedlung aufbauen im Ödland nach einem Atomkrieg? Wer den Autor dieser Zeilen kennt, weiß, dass er an so einer Herausforderung nicht vorbeigehen kann. In Kürze startet das Aufbauspiel Endzone: A World Apart (Windows, Steam und Gog) in die Early-Access-Phase auf Steam. Grund genug, das Werk der Gentlymad Studios aus Wiesbaden anzuspielen.

"Anno" trifft "Fallout" trifft "Frostpunk"

Groß mit einer Vorgeschichte halten sich die Entwickler bislang nicht auf. Die Welt wurde von einer nuklearen Apokalypse heimgesucht. Als Anführer einer kleinen Gruppe Überlebender gilt es nun, sesshaft zu werden und die eigene Siedlung erfolgreich zu führen. Eine Kampagne findet man auch noch nicht, dafür aber ein weitgehend brauchbares Tutorial, das durch die Grundzüge des Games führt.

Im Kern funktioniert Endzone hier wie ein Titel der Anno-Reihe mit leichten Anleihen an Frostpunk (auch abseits des Katastrophenszenarios). Man startet mit dem Aufbau von Grundversorgung in Form von Wasser und Nahrung. Anschließend erweitert man die eigenen Ressourcen durch den Aufbau von Wirtschaftskreisläufen. Nahrung lässt sich auf klassischem Wege – Fischfang, Jagd, Beeren sammeln, Felder und Plantagen – beschaffen. Wasser holt man aus nahe liegenden Gewässern, über einen Brunnen aus dem Boden, oder man errichtet Regenspeicher.

Andere Ressourcen können nur teilweise abgebaut werden. Holz lässt sich schlägern, wer aber an Metall, Stoffe oder Kunststoff kommen will, muss Leute dazu beordern, aus herumliegenden Wracks und den Ruinen von Häusern, Fabriken und Kraftwerken Schrott zu gewinnen. Dieser lässt sich direkt zu Werkzeug verarbeiten oder eben zerlegen, um andere Waren zu erzeugen. Gleichzeitig benötigt die wachsende Bevölkerung Unterkunft und Ablenkung.

Wenn die Strahlung kommt

All das ließe sich verhältnismäßig unkompliziert managen, wären da nicht drei Faktoren: Wetter, Zeitdruck und Strahlung. Teile der Karte sind atomar verseucht. Wer sie nutzen will, muss dort zuerst Boden abtragen lassen. Zudem benötigen Arbeiter Schutzkleidung, abhängig vom Grad der radioaktiven Belastung.

Mit Voranschreiten der Zeit wird das Land außerdem von Stürmen heimgesucht, die nicht nur Gebäude beschädigen, sondern zu weiterer Verstrahlung beitragen. Wer das nicht weiß – im Tutorial wird dies leider ausgespart – und sich zu spät darum kümmert, von Halstüchern auf Schutzmasken und schließlich auf Schutzanzüge aufzurüsten, kann nach ein paar Stunden plötzlich zusehen, wie die Bevölkerung der eigenen Siedlung in Scharen dahinstirbt.

Wenn man auf einmal nur noch ein Dutzend statt über hundert Bewohner verwaltet, kommt dies einem Neuanfang unter massiv erschwerten Bedingungen gleich. Denn mit dieser Stärke lässt sich nur noch die notwendigste Produktion aufrechterhalten. Eine Rolle spielt auch die Laune der Bevölkerung, die durch solche Entwicklungen naturgemäß nicht besser wird. Sobald man aber ein großes Lagerfeuer errichtet hat, um das sich die Einwohner scharen können, scheint es unmöglich zu sein, die Stimmung komplett kippen zu lassen. Hier darf in Sachen Balancing ruhig nachgebessert werden.

Hamstern gegen die Dürre

Im Vergleich zu radioaktiven Überraschungen wirken Wetterkapriolen noch wie eine kleine Herausforderung. Unregelmäßig sorgt eine Dürre für das Austrocknen von Feldern und Gewässern. Man erfährt dies aber mit genug Vorlaufzeit, um zuvor die Produktion auf Bevorratung auszurichten.

Hinsichtlich der Sammlung von Wasser und der Bewirtschaftung von Feldern empfiehlt sich auch die frühe Errichtung einer Wetterstation, dank der man auch über den Radioaktivitätsgrad des Niederschlags informiert wird und Richtlinien setzen kann, wie stark verstrahlt der Regen sein darf, ehe Regenzisternen und Felder abgedeckt werden. Auch in diesem Aspekt sorgt die langfristig zunehmende nukleare Bedrohung für wachsende Herausforderung.

Um das Gesamtkunstwerk Siedlung erfolgreich am Laufen zu halten, verbringt man erstaunlich viel Zeit in einem kleinen Fenster, in dem man freie Siedler verschiedenen Aufgaben zuteilt oder "Personal" von einer Tätigkeit in die andere verschiebt.

Von der Wiege bis zur Bahre

Ein netter und relativ realistischer Aspekt ist, dass die eigenen Siedler ihr Leben in verschiedenen Altersstationen durchlaufen. Als Kinder arbeiten sie nicht, können aber durch den Betrieb einer Schule in Zukunft besser mitarbeiten, sobald sie zum jungen Erwachsenen werden.

Von dort aus altern sie schließlich bis zum Greis, ehe sie schließlich eines Tages den Weg alles Irdischen beschreiten. Das bedingt auch die Einrichtung eines Friedhofs, denn Bewohner, deren verstorbene Angehörigen nicht bestattet werden können, werden unglücklich.

Viel Lob ...

Was Endzone bis jetzt richtig macht, ist die graduell zunehmende Komplexität beim Aufbau der eigenen Siedlung von den bescheidenen Anfängen bis hin zum gut bevölkerten Zivilisationsbollwerk, in dem die Bevölkerung sogar über Strom verfügt. Die Mischung aus Anno und Fallout funktioniert über weiter Strecken, auch wenn das erste Spiel trotz Tutorials ein Sprung ins kalte Wasser ist. Für individuell mehr oder weniger Herausforderungen lassen sich die Startparameter in allerlei Hinsicht anpassen.

Schön ist auch die Inszenierung, auch wenn einige Grafikeinstellungen derzeit noch fehlen. Aufgrund des nur schwachen Antialiasings wirken feinere Strukturen – etwa Stromleitungen oder Baumkronen – sehr pixelig, sobald man herauszoomt. Die umherwandernden und arbeitenden Bewohner, die alle einen eigenen Namen und Bedürfnisse haben, verleihen dem Spiel Lebendigkeit. Gelegentlich entstehen aber Kratzer in der Immersion, etwa wenn nach einer Reihe verseuchungsbedingter Todesfälle trotzdem alle Häuser in der Nacht beleuchtet sind, obwohl in vielen davon niemand mehr wohnt. Auch die Unterscheidbarkeit mancher Gebäude könnte optisch besser gelöst werden.

... und etwas Kritik

Zu den Ärgernissen kommen ein paar Bugs. Immer wieder einmal wird die Vorreihung von Gebäuden bei den Bauaufträgen erst verspätet umgesetzt oder geflissentlich ignoriert, was gerade bei der Vorbereitung auf eine Dürre problematisch werden kann. Die größten Schwachpunkte sind allerdings das Fehlen einer Story-Kampagne, wie sie schon bei Frostpunk stark zur Atmosphäre beigetragen hat.

Wünschenswert wären auch andere Gefahren abseits von Dürren und Stürmen, die sich mit einer Erweiterung der Gebäudeauswahl verknüpfen ließen. Gearbeitet werden muss auch noch am Balancing. Während es mit den ersten Stürmen ganz schnell bergab gehen kann mit der Siedlung, ist die Moral der Bewohner selbst dann nicht zu brechen, wenn sich diese beinahe in eine Geisterstadt verwandelt.

Fazit

Die erwähnten Kritikpunkte sind für ein Game, das gerade erst in den Early Access startet, erwartbare Schwächen. Gerade diese Phase dient der Verfeinerung des Spielkonzepts, dem Austarieren von Risiko und Belohnung und dem Hinzufügen neuer Inhalte. Das Fundament, das Endzone bislang präsentiert, funktioniert und macht Lust auf mehr. Man darf guter Hoffnung sein, dass die Hochzeit zwischen Anno und Fallout gelingen wird. (Georg Pichler, 1.4.2020)