Ungarns Premier Viktor Orbán eckt an in Europa.

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In den Regierungen der EU-Partner mehrt sich Kritik am Notstandsgesetz, mit dem das ungarische Parlament Premierminister Viktor Orbán von der christdemokratischen Fidesz-Partei weitreichende Vollmachten zur Durchsetzung von Notfallmaßnahmen in der Coronavirus-Krise gegeben hat. Dies sei "ein Anlass zur Sorge", sagte eine Sprecherin von Außenminister Heiko Maas (SPD) am Mittwoch in Berlin. Staatsminister Michael Roth nahm diesbezüglich Gespräche mit der Justizministerin in Budapest auf.

Deutlich schärfer äußerte sich Österreichs Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): "Das ist nicht hinnehmbar", sagte er der "Zeit", die EU müsse einschreiten. Es sei nicht einzusehen, wieso einer solchen "Semidiktatur" EU-Gelder zukommen, erklärte Kogler. Kanzler Sebastian Kurz äußerte sich vorläufig nicht. Europaministerin Karoline Edtstadler prüfe den Fall.

Wie die EU-Kommission dagegen einschreiten solle, geht aus den vielen politischen Statements nicht hervor. Auf Parteiebene der Europäischen Volkspartei (EVP), der Fidesz angehört, erneuerten dänische und irische Parteien ihre Forderung, man solle die Orbán-Partei, deren Mitgliedschaft vor einem Jahr bereits suspendiert worden war, nun ausschließen.

Zögerliche Kommission

Die Kommission in Brüssel tut sich rein formal etwas schwerer. Die EU-Verträge sehen den Ausschluss eines Mitgliedslandes nicht vor. Es gibt als Sanktion die unter Artikel 7 festgeschriebene Regel, Stimmrechte Ungarns in EU-Gremien bei Verstoß gegen EU-Werte zu suspendieren, ähnlich wie das Polen seit 2017 droht.

Die dafür nötige Einstimmigkeit im Ministerrat ist aber praktisch nicht erreichbar. Also sucht die Kommission Wege, von der Orbán-Regierung getroffene Maßnahmen anzugreifen bzw. beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu klagen. Präsidentin Ursula von der Leyen sagte, Maßnahmen in Ungarn müssten "auf das Notwendigste begrenzt und strikt verhältnismäßig sein", auch zeitlich. Demokratie sei ohne freie Medien nicht möglich. Ob es Klagen geben wird, hängt also sehr davon ab, was Orbán konkret tun wird. (Thomas Mayer aus Brüssel, 1.4.2020)