Ein Abschiebungsflug mit einer Transportmaschine vom Typ Hercules C-130 im Jahr 2016.

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Im Durchschnitt waren im vergangenen Jahr 46 Prozent der aus Österreich abgeschobenen Personen mindestens einmal strafrechtlich verurteilt. "Dies zeigt einmal mehr, dass hier die Prioritäten im Innenressort Richtung Straffällige richtig gesetzt werden", sagte Gruppenleiter Wolfgang Taucher bei der Präsentation der Jahresbilanz des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Februar. Was er nicht dazusagte, ist, dass 73 Prozent dieser Abgeschobenen keine Asylwerber, sondern Europäer waren. Das zeigt die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos durch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

Demnach wurden im Vorjahr 3.078 straffällige Ausländer abgeschoben. Davon waren jedoch 2.264, also 73,55 Prozent, Europäerinnen oder Europäer. Der Großteil davon kam aus EU-Ländern, ein kleinerer Teil, nämlich 357, aus Staaten des Westbalkans wie Serbien, Mazedonien oder dem Kosovo. "Die Zahlen zeigen einmal mehr: Es ist einfach eine Mär, dass so viele kriminelle Asylwerber abgeschoben werden. In Wahrheit kommen die meisten Straffälligen, die abgeschoben werden, aus Europa", sagt die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper, die die Anfrage eingebracht hat.

Kritiker sehen irreführende Kommunikation

Auch insgesamt sind Asylwerber bei den Abschiebungen im Vergleich zu Europäern deutlich unterrepräsentiert. Die fünf Länder, in die 2019 am häufigsten abgeschoben wurde, waren die Slowakei, Serbien, Ungarn, Rumänien und Polen. EU-Bürger, die sich länger als drei Monate in einem anderen Mitgliedsland aufhalten und nicht über ausreichende Existenzmittel und eine Krankenversicherung verfügen, können nämlich jederzeit abgeschoben werden – Arbeitslose beispielsweise oder obdachlose Menschen. Insgesamt finden sich unter den zehn Ländern, in die am häufigsten abgeschoben wurde, nur drei außereuropäische: Nigeria auf Platz sechs, Afghanistan auf Platz sieben und Georgien auf Platz neun.

Alexander Pollak, Sprecher der NGO SOS Mitmensch, kritisiert, dass die Zahlen vom Innenministerium dennoch unter dem Titel "Asyl-Zahlen 2019" veröffentlicht wurden. "Vom Innenministerium erwartet man sich die korrekte Zuordnung von Zahlen. Abschiebezahlen unter der Überschrift 'Asyl-Zahlen' zu liefern, wenn die Mehrheit der Betroffenen gar nichts mit Asyl zu tun hat, ist eine Irreführung", kritisiert Pollak und fordert eine Richtigstellung.

Keine Zahlen zum deportation gap

Im Innenministerium kann man die Kritik diesbezüglich nicht nachvollziehen. Dass der Großteil der Abgeschobenen keine Asylwerber sind, sei "allgemein bekannt. Jeder Medienvertreter weiß das, und wir haben uns das angesehen, alle Medien haben das auch richtig geschrieben", sagt Ministeriumssprecher Christoph Pölzl.

Zur Frage wie viele abgelehnte Asylwerber trotz eines gültigen Ausweisebescheides in Österreich bleiben, zum Beispiel weil ihr Heimatland keine Reisedokumente ausstellt oder ihnen dort Folter, Todesstrafe oder unmenschliche Behandlung droht, heißt es in der Anfragebeantwortung: "Entsprechende Statistiken werden nicht geführt." Zahlen zu diesem sogenannten deportation gap, also der Diskrepanz zwischen abgelehnten und abgeschobenen Asylwerbern, wären aber "sicherheitspolitisch wichtiger und notwendiger als die permanente Pauschal-Verunglimpfung von afrikanischen oder südostasiatischen Asylwerbern", meint dazu Neos-Abgeordnete Krisper. (Johannes Pucher, 7.4.2020)