Bild nicht mehr verfügbar.

Der gemeinsamen Auftritte gab es viele: Benjamin Netanjahu und der Covid-19-positive Yaakov Litzman. Man habe aber stets zwei Meter Abstand gehalten, betont Netanjahu (Archivbild vom 1. März 2020).

Foto: reuters/amir cohen

Nein, auf seine Arbeit werde die Krankheit keinen Einfluss haben, meint Yaakov Litzman. Der 71-jährige Ultraorthodoxe, der als israelischer Gesundheitsminister in der Corona-Krise bei vielen einen derart schlechten Eindruck machte, dass hochrangige Mediziner und Spitalsmanager zuletzt in einem offenen Brief seinen Rücktritt forderten, wurde Mittwochabend positiv getestet und befindet sich mit seiner ebenfalls Covid-19-positiven Frau in Isolation. Von dort aus werde er die ministeriellen Geschäfte weiterführen, betonte Litzman.

Auch Mossad-Chef in Quarantäne

Nun versuchen die Behörden herauszufinden, wie groß der Personenkreis aus Israels Verwaltung ist, der mit Litzman in den vergangenen zwei Wochen Kontakt hatte. Fest steht: Der Chef des Mossad – der Auslandsgeheimdienst hat sich zuletzt zum obersten Lieferanten für Spitals- und Laborausrüstung gemausert –, der Leiter des Nationalen Sicherheitsrats und der Generaldirektor des Gesundheitsministeriums müssen ebenfalls in Quarantäne.

Auch Übergangspremier Benjamin Netanjahu, der erst am Mittwochabend aus seiner Quarantäne entlassen wurde, muss gleich wieder dorthin zurückkehren. Netanjahu war in letzter Zeit wiederholt mit Litzman zusammengetroffen. Er habe dabei aber stets auf den vorgeschriebenen Zwei-Meter-Abstand geachtet, betont der Regierungschef.

Politik für Freunde

Litzman ist seit längerem dem Vorwurf ausgesetzt, Klientelpolitik für die Ultraorthodoxen auf Kosten der Allgemeinheit zu betreiben. Während dieser Vorwurf vor der Corona-Krise weniger schwer ins Gewicht gefallen war, geht es jetzt ums Ganze: In keiner Bevölkerungsgruppe breitet sich das Virus so rasant aus wie unter den Ultraorthodoxen. Das liegt zwar auch daran, dass sich viele Fromme nicht so gern vom Staat vorschreiben lassen, wo und wie sie beten dürfen, aber nicht nur. Trotz eindringlicher Warnungen von Medizinern ließ sich das Ministerium sehr lange Zeit, religiösen Gemeinden Auflagen zur Eindämmung des Virus zu erteilen.

Medienberichten zufolge kam es dabei auch im Gesundheitsministerium zu Konflikten: Während hochrangige Beamte auf die Schließung von Bethäusern und das Verbot ritueller Waschungen im Gemeinschaftsbecken bestanden hatten, legte sich der Minister quer. Mit fatalen Konsequenzen: Rund die Hälfte der stationär versorgten Corona-Patienten kommt aus ultraorthodoxen Kreisen.

Ultraorthodoxe Haushalte sind besonders oft von Armut betroffen, es handelt sich um kinderreiche Familien, die auf beengtem Wohnraum leben. Das begünstigt eine schnelle Ausbreitung des Virus. "Wenn einer in der Familie infiziert ist, haben es bald alle", sagt Moti Ravid, medizinischer Leiter des Maynei Hayeshua Medical Center in Bnei Brak, einem der ultraorthodoxen Hotspots unweit von Tel Aviv, zum STANDARD. Ravid spricht sich seit längerem für eine Abriegelung von Bnei Brak aus. Auch das soll dem Vernehmen nach am Widerstand des Gesundheitsministers gescheitert sein. Mittwochabend kündigte Netanjahu schließlich doch an, den Verkehr nach und von Bnei Brak und anderen Hotspots zu beschränken.

Zündstoff für Regierungsverhandlung

Litzmans erzwungene Isolation wirft auch spannende Fragen für die Koalitionsverhandlungen zwischen Netanjahu und Benny Gantz von der Partei "Widerstandskraft für Israel" auf. Gantz' Parteifreunde drängen seit Tagen auf das Gesundheitsressort, Netanjahu pochte jedoch darauf, dass es in den Händen Litzmans bleibt. Die Aussichten stehen dafür jetzt zumindest nicht mehr ganz so gut wie zuvor. (Maria Sterkl aus Tel Aviv, 2.4.2020)