Nicht nur dauernd am Smartphone hängen, empfiehlt das Anton Proksch Institut.

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Kinder und Jugendliche verbringen derzeit nicht nur mehr Zeit zu Hause, sondern wohl auch mehr Zeit vor Computern, Tablets und Smartphones. Dass dadurch die Gefahr einer Internet- oder Spielsucht besteht, ist für Experten eher unwahrscheinlich. Wichtig sei, den Kindern aktiv Alternativen anzubieten, selbst ein gutes Vorbild zu sein und die finanziellen Ausgaben für Apps zu überwachen.

Die Gefahr einer neu auftretenden Spiel- oder Internetsucht in Corona-Zeiten hält Roland Mader, Leiter der Station für Alkohol-, Medikamenten- und Spielsucht am Anton Proksch Institut, für relativ gering. Schließlich handle es sich derzeit um eine Ausnahmesituation und nicht um den gewohnten Alltag. Auch wenn Kinder und Jugendliche nun mangels sozialer Kontakte mehr am Handy oder Computer spielen, werde die Intensität nach dem Ende des derzeitigen Zustands wieder abnehmen und das Nutzungsverhalten sich wieder ändern.

Nicht isoliert

Vielmehr sehe er im Kontakthalten via Social Media und Unterhaltung durch Spielen auch etwas Positives, da Jugendliche dadurch das Gefühl hätten, nicht isoliert zu sein. Gefährlich werde es vielmehr für Personen, die bereits vor den Ausgangsbeschränkungen über wenig Sozialkontakte verfügt haben und die auch jetzt nicht wissen, wen sie über Skype anrufen sollen. Diese Menschen würden sich nun noch mehr in Online-Spiele flüchten und das eventuell auch später beibehalten.

Derzeit seien vier bis sechs Prozent aller Jugendlichen internetsüchtig. Da sei eine höhere Zahl als bei Erwachsenen. Als Sucht werde die Internet- oder Computernutzung dann bezeichnet, wenn das soziale Leben darunter leide und das Spielverhalten negative Konsequenzen im Alltag habe. Ein Beispiel sei etwa, dass die ganze Nacht durchgespielt werde und am nächsten Tag dadurch die Schule nicht besucht werden könne. Vermehrte schwerwiegende Konflikte mit den Eltern in Bezug auf das Thema und schlechter werdende Schulnoten seien ein Indikator, dass eine Sucht vorliegen könnte. "Sucht ist immer eine Frage der Dosis. Jugendliche sind heute mehrere Stunden pro Tag online, das ist ganz normal", so Mader.

Nicht ausschließlich am Handy

Er rät Eltern dazu, den Zeitvertreib nicht ausschließlich am Handy oder PC zuzulassen und stattdessen etwa gemeinsam Brettspiele zu spielen, alte Fotos anzuschauen oder gemeinsam zu essen. "Das reale gemeinsame Soziale soll gefördert werden", so Mader. "Es hilft nichts, ins Zimmer stürmen, dem Kind zu sagen, dass es den PC abdrehen soll, und wieder wegzugehen. Man muss schon Alternativen in der realen Welt anbieten und bereit sein, als Vorbild zu fungieren." Eltern, die eine Internet-Sucht ihres Kindes befürchten, können sich zur Beratung an das Anton Proksch Institut wenden. Dort verfügt man auch über stationäre Angebote, in der Menschen ab 17 Jahren aufgenommen werden. Wichtiger Nachsatz in Corona-Zeiten: "Man wird nicht von heute auf morgen süchtig."

Für einen Sprecher des Vereins "Spielerhilfe" seien monetäre Einsätze in zahlreichen Spiele-Apps derzeit wohl eine viel größere Gefahr als herkömmliche Computerspiele. Apps wie "Clash of Clans" und Co. seien massiv darauf ausgerichtet, nach einiger Zeit echtes Geld in die Hand zu nehmen, um im Spiel (rascher) weiterzukommen. Besonders gefährlich seien hier kostenpflichtige "Lootboxen", um mehr Leben, extra Spielgeld oder seltene Gegenstände zu erhalten, wie der Experte im APA-Gespräch erläutert. "Das beginnt bei drei, vier oder fünf Euro, kann aber bald bis zu 180 Euro kosten", warnt er. Zahlreiche beliebte Apps seien geradezu auf Sucht aufgebaut.

Limits

Für Eltern, die ihre Kreditkartendaten in den App-Stores der Kinder hinterlegt haben, sei es nun besonders wichtig, Limits zu hinterlegen und Berechtigungen zu installieren. "Sonst sind an einem Wochenende schnell einmal 400 Euro weg", so der Verein "Spielerhilfe". "Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass das App-Konto des Kindes unabhängig läuft, da hier keinerlei Kontrolle gegeben ist." Bei neu heruntergeladenen Spielen sollten Eltern vorher genau prüfen, wie das Spiel aufgebaut ist und ob es In-App-Käufe gibt. "Das sieht man oft auf den ersten Blick", so der Experte. (APA, 2.4.2020)