700.000 Mietverhältnisse gibt es allein in Wien.

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Wer aufgrund der Corona-Krise von Kurzarbeit oder Jobverlust betroffen ist und deshalb die Miete nicht mehr bezahlen kann, muss keine Delogierung oder Vertragskündigung befürchten. Das sieht das dritte Corona-Gesetzespaket vor, das am Freitag vom Nationalrat verabschiedet werden soll.

"Wohnen ist ein Grundrecht. Das gilt umso mehr in Krisenzeiten. Wir lassen es nicht zu, dass jemand vor die Tür gesetzt wird", sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) am Donnerstag. In Österreich gibt es rund 1,5 Millionen Mietverhältnisse, rund 700.000 davon allein in Wien. Die Arbeitslosigkeit ist durch die Epidemie auf einen historischen Rekord von 562.522 gestiegen. Zudem befinden sich bereits rund 250.000 Personen in Kurzarbeit.

Nachzahlung bis Jahresende

Sollte jemand im Zeitraum 1. April bis 30. Juni Schwierigkeiten haben, aufgrund der Corona-Einschränkungen die Miete zu bezahlen, dann ist das kein Kündigungsgrund, geht aus dem Gesetzesvorschlag des Justizministeriums hervor. Mieterinnen und Mieter haben bis 31. Dezember Zeit, die Mietrückstände zurückzuzahlen. Die Miete muss allerdings mit Verzugszinsen nachgezahlt werden, wobei diese auf den gesetzlichen Zinssatz von vier Prozent beschränkt sind.

Auf die vom Mieter erbrachte Kaution darf der Vermieter zum Ausgleich einer Mietzinsforderung für die Monate April bis Juni 2020 nicht zurückgreifen, das wird ebenfalls festgelegt. Ein Vermieter könnte dann nämlich vom Mieter die sofortige Wiederauffüllung der Kaution verlangen, was den Mieter erst recht wieder in finanzielle Schwierigkeiten brächte.

Aufschub von Delogierungen, mit Einschränkung

Außerdem sieht der Gesetzesvorschlag vor, dass Räumungsexekutionen (Delogierungen) auf Antrag der Mieter für drei Monate aufgeschoben werden. Das gibt den Mietern Zeit, eine neue Unterkunft zu finden. Eine wichtige Einschränkung wurde hier aber ins Gesetz geschrieben: "Zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des betreibenden Gläubigers", also des Vermieters, können Räumungen dennoch durchgeführt werden.

Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben: Wenn der Mieter den in der Corona-Krise von April bis Juni 2020 entstandenen Zahlungsrückstand nicht in den nächsten zwei Jahren, konkret bis 30. Juni 2022, vollständig entrichtet, hat der Vermieter ab Juli 2022 das Recht, dagegen mit einer Kündigung des Mietvertrags beziehungsweise einer Räumungsklage vorzugehen (ab Jänner 2021 darf er lediglich den Zahlungsrückstand aus den Monaten April bis Juni 2020 gerichtlich einfordern, aber noch keine Räumungsklage auf den Weg bringen, sofern der Mieter dann wieder regelmäßig seine Miete zahlt). Es könne nämlich davon ausgegangen werden, dass spätestens nach zwei Jahren sämtliche wirtschaftlichen Folgen der Pandemie wieder abgeklungen sind, heißt es im Gesetzesentwurf.

Am Recht des Vermieters, den Mietvertrag aus anderen Gründen von April bis Juni 2020 zu kündigen, ändert sich dadurch nichts. Auch Mietzinsrückstände, die vor oder nach diesem Zeitraum entstanden, sind dadurch nicht betroffen.

Befristete Mietverträge können verlängert werden

Befristete Mietverträge, die nach dem 30. März und vor 1. Juli auslaufen (im Wesentlichen betrifft das also das ganze zweite Quartal 2020), können einvernehmlich zwischen Mietern und Vermietern verlängert werden, maximal aber bis Jahresende.

Wird der Mietvertrag nach Ablauf des einvernehmlich beschlossenen Verlängerungszeitraums weder vertraglich verlängert noch aufgelöst, gelten die Bestimmungen des Paragrafen 29 Absatz 3 Litera b des Mietrechtsgesetzes, der die stillschweigende Verlängerung eines Mietvertrags regelt. Beim ersten Mal wird ein dreijähriger Vertrag daraus, beim zweiten Mal dann ein unbefristeter.

Reaktionen: Gut, aber nicht ausgereift

Erste Reaktionen vonseiten der Mieterschutzorganisationen auf die Maßnahmen fallen durchaus positiv aus, was auch wenig verwundert, denn sie hatten in den vergangenen Tagen vehement solche Maßnahmen gefordert. Die SP-nahe Mietervereinigung stößt sich aber an den Regelungen zu den auslaufenden befristeten Mietverträgen. Diese sollten um mindestens ein Jahr verlängert werden können, fordert Geschäftsführerin Elke Hanel-Torsch. Außerdem: "Im Vorschlag ist die Verlängerung nur als Kann-Bestimmung formuliert – damit wird der Mieter dem Gutdünken seines Vermieters unterworfen." Wenn der Vermieter dieser Verlängerung nicht zustimme, stehe der Mieter trotzdem auf der Straße. "Die Verlängerung sollte daher – wenn der Mieter keine andere Wohnmöglichkeit hat – zwingend sein."

SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher stößt ins selbe Horn und kündigt für die Nationalratssitzung am Freitag die Einbringung eines Entschließungsantrags an, der großzügigere Fristen sowie für Mieter die Möglichkeit, einen befristeten Vertrag um ein Jahr verlängern zu können, zum Inhalt hat.

FPÖ: "Hausherren-Mentalität"

Für FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl wird in dem Gesetzespaket eine "längst vergangen geglaubte Hausherren-Mentalität" bei der ÖVP sichtbar. "Dieser Bundesregierung fehlt die soziale Kompetenz. Wenn ich an vierprozentige Zinsen für Zahlungsverzug denke, dann erinnert das eher an ein Programm für Immobilienhaie als an soziale Notmaßnahmen." Die Freiheitlichen hatten außerdem gefordert, dass befristete Mietverträge, die innerhalb eines Jahres auslaufen, automatisch um drei Jahre verlängert werden sollen.

Arbeiterkammer Niederösterreich: Zinsfreie Stundung

Markus Wieser, Präsident der Arbeiterkammer Niederösterreich (AK NÖ) und ÖGB-Niederösterreich-Vorsitzender, kritisiert ebenfalls, dass Vermieter bei einer Mietenstundung bis zu vier Prozent Verzugszinsen von den Mietern verlangen können sollen. "Diese Stundung muss zinsfrei sein, ohne zusätzliche Kosten", forderte er in einer Aussendung.

Regelrecht erbost reagierte der Österreichische Eigentümer- und Vermieterverband in einem offenen Brief an Justizministerin Zadić. Dadurch würden mehr als 500.000 private Vermieter in eine existenzgefährdende Situation gebracht, so Verbandspräsident Günter Moser. Er fürchtet, dass "tausende Vermieter ihre Existenz verlieren, Insolvenz anmelden müssen und finanziell ruiniert werden". (red, APA, 2.4.2020)