Die aktuellen Entwicklungen könnten durchaus Dimensionen großer vergangener Wirtschaftskrisen erreichen. Politikerinnen und Politiker sprechen bereits jetzt von der größten Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. In Deutschland rechnet man mit Kosten vergleichbar mit der Wiedervereinigung, und der österreichische Leitindex, der seit Ausbruch der Krise um rund 40 Prozent gefallen ist, verzeichnete den höchsten Tagesverlust seiner Geschichte. Im Vergleich zu vergangenen Krisen ist es diesmal zu Kursstürzen bei fast allen Asset-Klassen gekommen. Selbst der vermeintliche Krisenanker Gold ist zunächst gefallen und mittlerweile nur leicht im Plus. In der Investorenszene kursiert der Running Gag, wonach eine großflächige Umschichtung aus sämtlichen Asset-Klassen in Toilettenpapier stattgefunden habe.

Die aktuelle Situation weckt Erinnerungen an die Finanzkrise ab 2007, jedoch sind die Ursachen diesmal nicht im Finanzsektor selbst zu suchen. Die aktuelle Situation ist insofern einzigartig, als mehrere kritische Faktoren gleichzeitig vorliegen. Der geldpolitische Spielraum der EZB ist diesmal begrenzt, da das Zinsniveau bereits extrem niedrig ist. Zum Angebotsschock durch Produktionsausfälle kommt ein Nachfrageschock durch Ausgangsbeschränkungen. Erschwerend wirkt sich zudem der Ölpreissturz der letzten Wochen aus.

Ein Blick auf die Historie

Da wir uns in einer historisch einmaligen Situation befinden, scheint ein Blick auf die Historie sinnvoll. Wie konnten Staaten die durch schwere Krisen verursachte Schuldenlast reduzieren, um sich dem Wiederaufbau widmen und Spielräume für Sozialabgaben und Investitionen in die Infrastruktur schaffen zu können?

Eine historische Option war das Zulassen einer hohen Inflation. Diese betrug beispielsweise in Frankreich von 1945 bis 1948 über 50 Prozent des Nationaleinkommens, wodurch die Staatsschulden nach dem Zweiten Weltkrieg reduziert wurden. Das Problem ist, dass unter der Inflation auch Kleinsparer leiden, was in Frankreich zu weitverbreiteter Altersarmut in den 1950er-Jahren führte. Eine weitere Möglichkeit zeigt das Beispiel Westdeutschland. Bei der Konferenz von London 1953 wurde ein Teil der Auslandsschulden ausgesetzt und bei der Wiedervereinigung 1991 endgültig gestrichen. Dies ermöglichte notwendige Investitionen und das "Wirtschaftswunder Deutschland".

Foto: APA/zb/Monika Skolimowska

Dabei gibt es jedoch noch eine besser zu steuernde und weniger radikale Option, die sich in der Geschichte bewährt hat: nämlich die einmalige Sondersteuer auf sehr hohe Privatvermögen. Eine besonders wirkungsvolle Sonderabgabe wurde beispielsweise in Japan von 1946 bis 1947 in Höhe von 90 Prozent auf die größten Portfolios erhoben. Die nationale Solidaritätssteuer, die in Frankreich 1945 beschlossen wurde, sowie die 1952 in Westdeutschland eingeführten Sonderabgaben sind weitere Beispiele erfolgreicher Solidaritätsabgaben nach einer weltweiten Krise. Wirtschaft und Gesellschaft profitierten einerseits durch die dadurch ermöglichten Investitionen, andererseits auch durch die reduzierte Vermögensungleichheit.

Sonderabgaben auf Privatvermögen

Im Vergleich zur Inflation, die ärmere Menschen (deren Vermögen vorwiegend aus Bargeld und Bankguthaben besteht) stärker belastet, können Sonderabgaben auf Privatvermögen die Last gerechter verteilen. Während Inflation somit regressiv wirkt und Schuldenerlasse rechtlich und organisatorisch schwierig umzusetzen sind, ist die Sonderabgabe auf hohe Privatvermögen eine Abgabe, die rasch, kontrolliert und progressiv wirkt. Im Fall von Deutschland scheint klar zu sein, dass Sonderabgaben auf Privatvermögen, die 1952 beschlossen wurden und bis in die 1980er-Jahre galten, sehr viel besser geeignet waren, um Staatsschulden zu reduzieren, als die Hyperinflation der 1920er-Jahre – sowohl aus ökonomischer als auch demokratisch-gesellschaftlicher Perspektive.

Die Arbeitslosenrate in Österreich ist auf 12,2 Prozent gestiegen, absolut betrachtet ein historischer Höchststand seit 1946. In historisch vergleichbaren Situationen, wenn die Arbeitslosigkeit stieg und sozialpolitische Investitionen notwendig waren, war stets klar, dass auch hohe Privatvermögen heranzuziehen sind. In den 1930er-Jahren und im Schatten des Börsencrashs führten selbst die kapitalistischen Musterländer USA und Großbritannien hohe Steuersätze auf Privatvermögen ein. Von 1932 bis 1980 lag der Spitzensteuersatz für Einkommen in den USA durchschnittlich bei 81 Prozent, jener für Erbschaften bei 75 Prozent. In Großbritannien betrug der Spitzensteuersatz auf Einkommen im gleichen Zeitraum durchschnittlich 89 Prozent und für Erbschaften 72 Prozent.

Chance, um Vermögensungleichheit auszugleichen

Eine einmalige Sonderabgabe sowie die (Wieder-)Einführung stark progressiv wirkender Steuern hat sich in der Vergangenheit stets als äußerst effektiv und gesellschaftsfähig erwiesen. Es würde sich zudem die einmalige Chance bieten, der nicht mehr zu rechtfertigenden Vermögensungleichheit zu begegnen. In Österreich etwa besitzen die reichsten fünf Prozent der Haushalte rund 43 Prozent des gesamten Nettovermögens, die ärmere Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher hat relativ betrachtet fast nichts mehr (vier Prozent).

Doch aktuell scheint der umgekehrte Weg angestrebt zu werden. Unternehmen im Besitz reicher Österreicherinnen und Österreicher könnten staatliche Hilfen erhalten. Anstatt das dringend benötigte Privatvermögen Reicher in bewährter historischer Tradition heranzuziehen, wird umgekehrt Steuergeld verwendet, um ihre Unternehmen zu stützen und die Vermögen abzusichern. Dieses Vorgehen ist auch aus der Finanzkrise ab 2007 bekannt. Steuerzahler wurden zur Rettung zahlreicher Finanzinstitute herangezogen, während sich die Zahl der Dollar-Millionärinnen und -Millionäre in Österreich seit 2000 in etwa vervierfacht hat. (Mario Hübler, 3.4.2020)