Eingeflogene Betreuerinnen aus Rumänien und Bulgarien nach Ankunft in Wien: Es stellt sich die Frage, wie viele Menschen sich bei so einer Aktion anstecken können

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Die Initiative sollte Hoffnung geben, doch Kerstin Marchner fand sie eher beunruhigend. Sie frage sich, wie viele Beteiligte sich bei solch einer Aktion mit dem Coronavirus anstecken können, sagt die diplomierte Pflegerin, denn Bilder ließen nicht unbedingt auf penible Vorkehrungen schließen: "Von einem Sicherheitsabstand habe ich beim Einsteigen ins Flugzeug nichts gesehen."

Marchner meint damit jenen Kraftakt, der letzten Montag Schlagzeilen machte. Weil der Landweg durch Ungarn versperrt ist, ließen Niederösterreichs Landesregierung und Wirtschaftskammer (WK) 231 Frauen aus Rumänien und Bulgarien einfliegen – eine Vorbeugung gegen den drohenden Engpass bei der 24-Stunden-Betreuung. Nach 14-tägiger Quarantäne in Österreich sollen die neuen Kräfte dort einspringen, wo wegen der Reisebeschränkungen im Zuge der Corona-Krise gebuchte Pflegerinnen ausgeblieben sind.

Wer profitierte vom Flug?

Von mehreren anderen Betreuungsagenturen kommt nun Kritik am Organisator der Flüge. Robert Pozdena ist neben seiner Funktion als Fachgruppenobmann der WK-NÖ wie viele andere Funktionäre auch Betreiber einer Vermittlungsagentur und habe, so sagen Mitbewerber, nun auf Kosten der Kammer und des Landes die eigenen Frauen und die befreundeter Agenturen einfliegen lassen – ohne andere rechtzeitig zu informieren.

Unterlagen, die dem STANDARD vorliegen, zeigen, dass der Großteil der Agenturen erst am 24. März gegen 15.00 Uhr von dem Flug erfahren haben. 21 Stunden hatten sie im Anschluss Zeit, Betreuerinnen auf die Passagierliste setzen zu lassen. Andere wussten schon Tage vorher Bescheid und hatten so mehr Zeit, in Rumänien Pflegekräfte zusammentrommeln.

Pozdena selbst weist die Vorwürfe zurück: Es habe ein Minutenprotokoll gegeben, das ein First-Come-First-Serve-Prinzip sicherstellen würde. Doch: Ein kleiner Kreis von acht Agenturen hätte schon eine Woche vor dem geplanten Flug die Möglichkeit gehabt, Betreuerinnen einzufliegen. Weil der Flug aber kurzfristig abgesagt wurde, konnten diese Plätze direkt auf den nächsten Flug umgebucht werden – als von dessen Existenz andere Vermittler noch gar nichts wussten.

Damit keine Agentur überproportional von dem Flug profitiert, habe es, so Pozdena, die Regel gegeben, dass die Quarantänekosten von der WK nur für bis zu 30 Betreuerinnen pro Agentur übernommen werden. So eine Deckelung gab es bei den Flugkosten – die zahlte großteils das Land Niederösterreich – jedoch nicht. Wie viele Betreuerinnen von Cura Domo, Pozdenas Agentur, mitflogen, will er gegenüber dem STANDARD nicht angeben.

Vom Land Niederösterreich heißt es dazu, man habe mit Pozdena in seiner Rolle als Fachgruppenobmann zusammengearbeitet. Der Auftrag sei gewesen, jene Familien zu unterstützen, wo der Bedarf am dringendsten ist. Weitere Flüge sind übrigens bereits geplant, am 15. April sollen zwei Charterflüge Betreuerinnen aus Österreich nach Temewsar und neue Kräft zurück bringen. Die Kosten, so Pozdena, tragen dieses Mal die Agenturen.

Voreiliges Risiko

Marchner, die beim privaten Anbieter BestCare24 die Rund-um-die-Uhr-Betreuung managt, verwundert die Eile, zumal Niederösterreichs Soziallandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) eingeräumt hatte, dass derzeit noch nicht wirklich Bedarf bestehe. Aber hat sie, wie Pozdena behauptet, nicht auch eigentlich Betreuerinnen mit dem ersten, abgesagten Flug ins Land bringen wollen? Marchner widerspricht: "Nein, wir waren da sicher nicht dabei."

Sie selbst schlägt eine andere Lösung vor. Statt vorschnell viel Risiko einzugehen, sollte das Ziel sein, die aktuell im Land befindlichen Kräfte länger zu halten: Statt der in Österreich üblichen zwei bis vier Wochen betrage der Turnus in der Schweiz, Deutschland und Italien generell zwei bis drei Monate. Aber wollen die Frauen nicht heim zu ihren Angehörigen? Bei BestCare24, einer mit dem offiziellen Qualitätszertifikat ausgezeichnete Agentur, die in Österreich 130 bis 150 Klienten betreut, habe nur eine einzige Betreuerin auf die Rückkehr bestanden. Die anderen, so Marchner, "fühlen sich in der derzeitigen Situation hier sicher." Natürlich müsse man sie aber auch unterstützen, etwa mit einem Einkaufsservice.

Drohende Quarantäne-Zentren

Es sind überwiegend Rumäninnen und Slowakinnen, die hierzulande 24-Stunden-Betreuung leisten. Im Gegensatz zu ersteren können letztere derzeit noch hin und her reisen, doch ab Montag müssen alle Einreisenden in die Slowakei in ein staatliches Quarantänezentrum, um einen Covid 19-Test zu absolvieren. Fällt dieser negativ aus, dürfen die Betroffenen den Rest der vorgeschriebenen 14-tägigen Quarantäne zu Hause verbringen. Pendler, die nicht weiter als 30 km von der Grenze entfernt im Ausland arbeiten, sind ausgenommen.

Die Restriktionen wären ein geringeres Problem, wenn die Betreuerinnen länger Land bleiben. Doch dafür bedürfe es einer finanziellen Motivation, sagt Marchner. Den von der Politik versprochenen Bonus von 500 Euro hält sie für halb so hoch wie nötig: "Angemessen wären 1000 Euro." (Gerald John, Gabriele Scherndl, 5.4.2020)