Die Anordnung des Innenministeriums von Karl Nehammer (ÖVP) wird unter Verschluss gehalten.

Foto: APA/ Herbert Neubauer

Seit Freitag vergangener Woche herrscht große Verwirrung. Vor bald einer Woche verkündete das Innenministerium von Karl Nehammer (ÖVP) einen De-facto-Einreisestopp für Asylwerber, die an der Grenze zu Österreich in der Coronavirus-Krise kein ärztliches Attest vorweisen können. Dies passierte just, während eine gewisse politische Aufregung darüber zunahm, dass das Ministerium in zwei steirischen Gemeinden Asyllager vorsorglich reaktivieren möchte. Davor wurde das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen unter Quarantäne gestellt. Ein solcher Einreisestopp wurde damals nur mündlich vom Generalsekretär des Innenministeriums, Helmut Tomac, in der APA kommuniziert.

Aus Sicht von Menschenrechts- und Asylexperten ist ein solcher Einreisestopp rechtlich schlicht nicht möglich. Diese Meinung teilen auch die Grünen. Etwas Schriftliches wurde seitens des Ressorts bis heute nicht veröffentlicht. Dazu ist es in diesem Fall auch nicht verpflichtet. Dieser Umstand macht eine Einschätzung der Lage schwieriger.

Am Donnerstag lag der APA nämlich die Anordnung des Innenministeriums vor. "Erlass regelt Flüchtlingsabweisung an Grenze", lautete der Titel der Agentur. Also doch?

Für die Grünen ist der Asyl- und Migrationsbereich ein besonders ein heikles Thema. Aus ihrer Sicht bleibt das Asylrecht auch in Coronavirus-Krisenzeiten aufrecht. Die Grünen beziehen sich auf eine Passage der Anordnung. In dieser heißt es, dass der Grundsatz des "Non-Refoulement" der Menschenrechtskonvention "selbstverständlich unberührt bleibt". Demnach dürfe kein Asylwerber zurückgewiesen werden.

Neos fordern Klarstellung von Regierung

Die grüne Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic sagte am Wochenende, dass eine Aussetzung des Asylrechts verfassungswidrig wäre. Nun fügt sie an, dass auch die EU-Kommission kürzlich festgehalten habe, dass es während der Coronavirus-Krise zu keinen Abweisungen kommen dürfe. Innenminister Nehammer stellte jedenfalls fest, dass zuletzt nur einige wenige Geflüchtete in Österreich um Asyl angesucht hätten.

Neos-Asylsprecherin Stephanie Krisper wird jedenfalls bei der nächsten Plenarsitzung am Freitag einen Entschließungsantrag einbringen, in dem Türkis-Grün aufgefordert wird, "per Verordnung klarzustellen, dass Geflüchtete weiterhin auch ohne Vorweis eines ärztlichen Attests in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellen können".

Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak erklärt dem STANDARD, er glaube nicht, "dass man generell Leute an der Grenzen zurückweisen kann, nur weil sie kein Gesundheitszeugnis haben". Es sei obendrein sehr schwer, ein solches Zeugnis von Asylwerbern einzufordern. "Wie wir wissen, ist es schon in Österreich schwierig, überhaupt einen Test machen zu lassen. Das wird in Italien nicht anders sein. Im Zweifel würde ich sagen, dass die Verantwortung hier bei den österreichischen Behörden liegt, die Person zu testen und gegebenenfalls in Quarantäne zu nehmen."

Lukas Gahleitner, Sprecher der Asylkoordination, stimmt diesem Befund zu. Es gebe keine rechtliche Grundlage dafür, Asylanträge nicht mehr anzunehmen. "Es geht hier um eine populistische Scheinpolitik des Innenministeriums. Die Gesetze sind klar und können nicht durch rechtswidrige Erlässe oder Dienstanweisungen außer Kraft gesetzt werden." (Jan Michael Marchart, 2.4.2020)