Eine Reihe Bilder sorgte für Uneinigkeit rund um das Wiener Lazarett.

Foto: SCHÜTZE. Positionierung/APA-Fotoservice/Tanzer

Eigentlich hoffe man ja, dass man die Betten in der Wiener Messehalle nicht brauchen werde, heißt es aus dem Büro des Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ). In nur 14 Tagen wurden hunderte Betten quasi aus dem Nichts in die Messehalle gebracht, in kleinen Kojen sollen jene Patientinnen und Patienten betreut werden, die mit dem Coronavirus infiziert sind, aber weder daheim noch im Spital sein können.

Von außen sieht die Messehalle noch recht ruhig aus, bis auf eine Handvoll Bauarbeiter, die einen Zaun rundherum aufstellen, herrscht kein Betrieb. Über die Frage, was im Inneren passiert, also ob und wann es bezogen wird, herrscht jedoch Uneinigkeit, wenn nicht sogar Zwist. Der begann spätestens mit einer Ladung Pressebilder, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Zu sehen sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ärztefunkdienstes – die werden nach Angaben der Ärztekammer für die Betreuung zuständig sein – und leere Betten und Stühle in den Hallen, in denen sich sonst Autofans, Studierende bei Aufnahmeprüfungen oder Konferenzteilnehmer tummeln. Die Bilder kommen von einer Agentur, mit der die Wiener Ärztekammer zusammenarbeitet. Im Infokasten dazu heißt es, am 2. April werde "das größte Barackenlazarett in Österreich seit dem 2. Weltkrieg" in Betrieb genommen.

Belegt oder nicht?

Nur: Im Büro Hacker bestreitet man das tags darauf. Es seien keine Patientinnen und Patienten dort, es gebe auch kein geplantes Datum der Inbetriebnahme. Im Gegenteil: "Das Bestreben ist, dass kein Patient da hinmuss, solange die Krise dauert", so ein Sprecher. Bei der Wiener Ärztekammer ging man am Donnerstag jedoch davon aus, dass bereits erste Patientinnen und Patienten die Messehalle bezogen hätten, offenbar kam es dann aber zu Änderungen oder Verzögerungen. Wenig hilfreich im Chaos ist da auch noch, dass Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei einer Pressekonferenz am Donnerstagvormittag angab, in Wien habe es am Mittwoch schon eine Übersiedlung in ein Ersatzquartier gegeben. Im Büro des Gesundheitsstadtrats wusste man davon genauso wenig wie von einem Betrieb der Messehalle. Einzig im Geriatriezentrum Wienerwald seien Covid-19-Fälle untergebracht, dies aber schon länger – es handle sich dabei vor allem um gestrandete Geschäftsreisende.

Der Arbeiter-Samariter-Bund, er ist für die logistische Abwicklung des Lazaretts zuständig und soll nach Angaben der Stadt federführend das Personal dort stellen, verschafft schließlich Klarheit: Es sind keine Patientinnen und Patienten in der Messehalle. Das sei bisher "bis inklusive zum Wochenende" auch nicht geplant – es sei denn, die Situation würde sich akut ändern.

20.000 Betten im Land

Österreichweit gebe es aktuell, so Anschober am Donnerstag, 20.000 Plätze abseits der Krankenhäuser. 880 Betten sind aktuell in der Wiener Messehalle verfügbar, auf über 3000 kann man noch aufstocken. Auch andere Bundesländer rüsteten Messehallen um. In Salzburg ist das Zusatzspital im Messezentrum seit einer Woche betriebsbereit. Innerhalb von drei Tagen wurden dort mehr als 700 Betten aufgebaut. Derzeit liegt noch kein Patient in der Messe. Es werde erst ab einer gewissen Auslastung der 200 Betten im Covid-Spital im Uniklinikum Salzburg aktiviert, erklärt Spitalssprecher Wolfang Fürweger. Neben dem Zusatzspital in der Stadt Salzburg gibt es bei Bedarf auch für das Innnergebrig 3000 Betten in St. Veit.

Die burgenländischen "Lazarette" – in Eisenstadt 108, in Bad Tatzmannsdorf 688 Betten – werden ab nächster Woche bereitstehen. Bis dahin reichen jedenfalls die normalen Spitalskapazitäten, heißt es aus dem Krisenstab, wo man hofft, überhaupt ohne diese Notspitäler für leichtere Corona-Fälle durchzukommen. In Oberösterreich sind noch keine Lazarette offen und damit auch nicht besetzt.

Gedacht sind die Lazarette für jene Covid-19-Fälle, deren Krankheitsverlauf so milde ist, dass sie nicht in ein Spital müssen, die aber aus anderen Gründen nicht zu Hause bleiben können. Etwa weil dort viele Menschen sind und die nicht angesteckt werden sollen oder weil sie allein nicht zurechtkommen. "Das ist kein Spitalsersatz, sondern ein Betreuungsraum", erklärte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) vor Journalistinnen und Journalisten, als er die Pläne des Lazaretts präsentierte. Die Leute werden dorthin zugeteilt und aufgerufen, nicht auf Eigeninitiative zur Messehalle zu kommen.

Infektionen in Altersheimen

Zu der künftigen Belegschaft der Lazarette zählen auch manche infizierte Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen. Dortige Fälle sind wegen des Ansteckungsrisikos für die restlichen Betagten besonders heikel. Und sie mehren sich. So wurden etwa in fünf Tiroler Altersheimen 20 Menschen infiziert, eine Bewohnerin verstarb an den Folgen des Virus. Auch in Oberösterreich gab es in mehreren Altersheimen Infektionen. In Wien sind insgesamt zehn der 30 Häuser zum Leben betroffen. Ein Sprecher des Betreibers, des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhäuser, gibt an, die Gesamtzahl der Betroffenen bewege sich "im niedrigen zweistelligen Bereich", der Zuwachs der Fälle habe sich in der vergangenen Woche verlangsamt. Betroffene Bewohnerinnen und Bewohner würden bei mildem Verlauf in den eigenen Wohnungen oder in Quarantänestationen isoliert, betroffenes Personal komme in Heimisolation. Man habe letzte Woche begonnen, selbst PCR-Tests durchzuführen, so der Sprecher, "auch für das Personal, wenn jemand sagt, er oder sie fühlt sich komisch".

Beim Krankenanstaltenverbund (KAV), der acht Pflegewohnhäuser in Wien betreibt, gab es nach Angaben eines Sprechers mit Stand 1. April unter den 3000 Bewohnerinnen und Bewohnern keinen positiv getesteten Fall. Dafür aber eine 92-Jährige, die mittlerweile genesen sei. "Die Dame wurde bei uns isoliert, blieb aber zwei Wochen symptomfrei und wurde vor wenigen Tagen wieder negativ getestet und gilt damit als geheilt", heißt es dazu vom KAV. Beim Personal habe man "wenige Freistellungen im Zusammenhang mit Covid-19" und einzelne positive Testungen. (Gabriele Scherndl, Stefanie Ruep, Walter Müller, 2.4.2020)