Auch Bergbahnbetreiber könnten nach dem Epidemiegesetz Entschädigungen einfordern.

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Mit dem Corona-Hilfspaket, das der Nationalrat am 16. März in einer sonntäglichen Hauruckaktion verabschiedet hat, wurde auch das bis dahin gültige Epidemiegesetz de facto außer Kraft gesetzt. Dies geschah zum Nachteil mancher Betriebe, denn das Gesetz sieht eine vollständige Entschädigung des Verdienstentgangs bei behördlich angeordneten Schließungen vor. Die Covid-19-Gesetze ersetzen die Verluste nur zum Teil; angesichts der bundesweiten Schließungen hatte man offenbar eine finanzielle Überforderung der Staatsfinanzen befürchtet.

Das müssen Unternehmer nicht kampflos hinnehmen, sagen zahlreiche Juristen, und sie tun es auch nicht. Wie berichtet bereitet der Prozessfinanzierer Advofin eine Sammelklage von Hotel- und Pensionsbetreibern in den Bundesländern Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Kärnten vor, wo wenige Tage vor Inkrafttreten der Covid-19-Gesetze die Tourismusbetriebe unter dem Epidemiegesetz geschlossen worden waren.

Der Wiener Anwalt Gerald Otto von der Kanzlei Brauneis Klauser Prändl, die in Tirol infizierte Touristen rechtlich vertritt, sieht gute Chancen für eine solche Klage auf Entschädigung der verlorenen Einnahmen für rund 14 Tage und geht noch weiter: "Auch Seilbahngesellschaften und Gastronomiebetriebe zu touristischen Zwecken sind meines Erachtens anspruchsberechtigt." Dieser Anspruch gelte auch für Betriebe in Kitzbühel und Sölden, die nach dem 16. März nach den Bestimmungen des Epidemiegesetzes geschlossen wurden. Otto weist auch darauf hin, dass der Bund dafür schon vorgesorgt hat. Laut dem Covid-19-Fondsgesetz können die Mittel des Krisenbewältigungsfonds auch für Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Epidemiegesetz verwendet werden.

Ungleiche Behandlung

Die meisten Betriebe, die nach dem 16. März geschlossen wurden, haben allerdings keinen Anspruch nach dem Epidemiegesetz, sondern müssen sich mit den begrenzten Entschädigungen durch den Coronafonds zufriedengeben. Das habe der Gesetzgeber klar ausgesprochen, betont der Innsbrucker Anwalt Johannes Barbist, Partner bei Binder Grösswang Rechtsanwälte. Diese Ungleichbehandlung aber öffne einer Verfassungsklage die Tür, denn "hier könnte ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegen", sagt Barbist.

Er weist allerdings auch darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof gerade in Krisenzeiten dem Gesetzgeber einen großen Entscheidungsspielraum einräumt. Letztlich werde viel davon abhängen, wie großzügig die Hilfszahlungen aus dem Covid-19-Topf am Ende ausfallen.

Zu Bittsteller degradiert

Der Rechtsprofessor Thomas Klicka von der Universität Münster hält das ganze Vorgehen der Regierung für verfassungsrechtlich fragwürdig. Mit einem Federstrich seien Betriebe von Anspruchsberechtigten zu Bittstellern degradiert worden, kritisiert Klicka. Da die neuen Bestimmungen auf die Corona-Krise beschränkt sind und nicht auch andere Epidemien erfassen, würden hier wirtschaftlich gleichermaßen Geschädigte ungleich behandelt werden.

In Klickas Augen war die Beseitigung der Rechtsansprüche auf Verdienstentgang durch das Epidemiegesetz "überhastet und nicht alternativlos". Stattdessen hätte man die Ansprüche vorerst zum Teil ausbezahlen und erst später über die Rechtsansprüche entscheiden können – einschließlich der Möglichkeit einer Rückforderung von zu hohen Akontozahlungen. "Wie bei der Hypo Alpe Adria hätte man den Weg gehen können, den Gläubigerschnitt erst dann zu machen, wenn die ökonomische Lage halbwegs geklärt ist", sagt er.

Wie der VfGH über diese Fragen entscheiden wird, sei offen, betont Klicka; denn "auch die Bundesverfassung ist vor dem Vorwurf nicht gefeit, an Extremsituationen gar nicht zu denken". (Eric Frey, 3.4.2020)